Hessen: Vermummung als Straftat

Einige Regeln des geplanten Versammlungsrechts stoßen auf Kritik. Anhörung im Landtag.
Erstmals will sich Hessen ein eigenes Versammlungsgesetz geben. „Versammlungsfreiheitsgesetz“ soll es heißen, ein Begriff, der bei Juristen in der Expertenanhörung am Montag im Landtag auf Kritik stieß. Die geplanten Regelungen stärkten nicht die Bürgerrechte, sondern die der Polizei und Ordnungsbehörden, befand die eine Seite. Die andere betonte, dass die Versammlungsfreiheit im Grundgesetz verankert ist und deshalb der Name „ein Euphemismus“ sei. So der einhellige Kommentar zu dem Titel des Regelwerks, an dem das Innenministerium, so das Fazit der Angehörten, noch feilen muss.
„Das geht zu weit“
Die Rechtsprofessoren stießen sich daran, Vermummung als Straftat einzuordnen. „Das geht zu weit.“ (Uwe Volkmann, Uni Frankfurt). Kritisch sahen sie auch die Möglichkeit der Polizei, generell die Identität Einzelner festzustellen und bei Versammlungen unter freiem Himmel anwesend zu sein. „Das hat erhebliche Abschreckung.“ (Clemens Arzt, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin). Nicht gut an kam auch die Idee, dass die Polizei bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel Videoaufnahmen anfertigen darf. Die Befürworter solcher weitreichenden Rechte für die Polizei waren am Montag in der Minderheit.
Der Anlass für das Gesetz liegt mehr als 16 Jahre zurück. Damals trat eine Föderalismusreform in Kraft, die die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder übertrug. Bis die Länder eigene Gesetze beschließen, gilt Bundesrecht. „Mit einem Versammlungsfreiheitsgesetz soll die friedliche Demonstrationskultur in Hessen weiter gestärkt werden“, heißt es in dem Entwurf aus dem Hause von Innenminister Peter Beuth (CDU), der der Expertenanhörung allerdings fernblieb. Er nahm am zeitgleich stattfindenden Tag des Rechtsstaats in Frankfurt teil. Von der Neuregelung seien keine finanziellen Auswirkungen zu erwarten, steht dort weiter. Sie seien nicht mit höherem Verwaltungsaufwand verbunden und auch nicht mit der Umverteilung von Aufgaben.
Kommunen fürchten Chaos
Das bezweifeln die Kommunen. Die Rathäuser hätten großes Interesse an praktikablen Regelungen und einer klaren Definition der Zuständigkeiten von Ordnungsbehörden auf der einen und der Polizei auf der anderen Seite. Doch der Entwurf liefere dies nicht, monierte die zuständige Referatsleiterin des Hessischen Städtetags, Tanja Pflug. Zusätzliche Aufgaben, womöglich auch an Wochenenden oder abends, seien personell nicht zu schultern. Dass Versammlungsleitungen nicht zwingend notwendig sein sollen, bereite den Städten Sorge. „Das könnte zu chaotischen Zuständen führen.“
Während die Juraprofessoren den Entwurf grundsätzlich positiv bewerteten, sprach Jasper Prigge von „Verschlechterungen“. Als Rechtsanwalt begleitet er seit rund zehn Jahren Personen, die eine Versammlung leiten oder anmelden. Von dem Gesetz erwarte er „erweiterte Regelungen, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich zu versammeln“. Er vermisse das Betonen der Versammlungsautonomie, „laientaugliche“ Formulierungen und Regeln, die mit der Praxis in Einklang zu bringen seien. Vermummen als Straftat einzustufen, könnte die Stimmung einer Demonstration kippen lassen. Weil dann nämlich die Polizei tätig werden müsse, obwohl dies taktisch nicht angebracht sei. „Das könnte zur Eskalation führen.“