Hessen: Streit über Uniklinik beigelegt

Das Land und der Rhön-Konzern verpflichten sich zu Millioneninvestitionen. Verdi sagt, die Politik bleibt erpressbar.
Der so genannte Zukunftsvertrag für das privatisierte Uniklinikum Gießen-Marburg ist unterzeichnet. Nach monatelangem Ringen haben die Landesregierung und der zu Asklepios gehörende Rhön-Konzern sich auf die Regeln verständigt, wie die bundesweit einzige privatisierte Uniklinik wieder in ruhigeres Fahrwasser gelangen soll. Das Land sagt für die nächsten zehn Jahre beträchtliche Investitionen zu - obwohl Rhön bei der Privatisierung vor 18 Jahren explizit darauf verzichtet hatte. 48,15 Millionen Euro stehen dafür im aktuellen Haushalt bereit. Im Gegenzug verpflichtet sich die Klinik, in diesem Jahr 23,5 Millionen Euro in neue Geräte und Bauvorhaben zu stecken. In festgelegten Raten steigern sich die Beträge jährlich.
Keine Kündigungen
Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen, Ausgliederungen von Betriebsstellen bedürfen der Zustimmung des Landes. Für Auszubildende gilt weiterhin eine Übernahmegarantie. Offen bleibt die Zukunft der rund 300 Beschäftigten in den so genannten Servicegesellschaften. Wer im Patiententransport arbeitet, in der Security oder in der Spülküche muss weiter bangen, kritisiert die Gewerkschaft Verdi.
Der am Dienstag in Marburg präsentierte Vertrag entspricht im Wesentlichen dem, der vor einem Jahr verabredet und von Rhön/Asklepios im Sommer überraschend komplett infrage gestellt worden war. Die Investitionssumme ist nunmehr um 50 Millionen Euro auf 850 Millionen Euro in den nächsten zehn Jahren gestiegen. Ebenfalls neu ist die „Sicherheitsklausel“, sagte Finanzminister Michael Boddenberg (CDU). Bei hoher Inflation sind demnach Nachbesserungen möglich.
Gewinne reinvestieren
Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne) betonte einmal mehr, dass die Privatisierung ein Fehler war. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen habe das Land das Beste herausgeholt für die Patient:innen, Beschäftigten und für Mittelhessen als Wissenschaftsstandort. Es sei nicht einfach gewesen, deren Interessen mit denen eines Wirtschaftsunternehmens zusammenzubringen. „Wir mussten Brücken bauen, bis eine tragfähige rechtssichere Vereinbarung gefunden war.“ Für zehn Jahre habe die Region nun „echte Ruhe und eine Perspektive“. Der Vertrag sichere, dass mögliche Gewinne nicht an Aktionär:innen abfließen können. Sie müssen in die Klinik reinvestiert werden. Sollte sie nicht genug erwirtschaften, springe Rhön/Asklepios mit „echten Eigenmitteln statt Krediten“ ein. Auch sei ein rechtssicheres Berechnungsverfahren für den „schwierigen Punkt“ der Wertsteigerung gefunden. Sollte die Klinik verkauft werden, verlangt das Land Investitionsmittel zurück. Es hätte dann auch Vorkaufsrecht.
Rhön-Vorstandsvorsitzender Tobias Kaltenbach hob die große Bedeutung von Asklepios und nicht-öffentlichen Krankenhausträgern an sich hervor. Deutschlands Gesundheitssystem stehe vor einem großen Umbruch - im ambulanten wie stationären Sektor. Der Vertrag mit dem Land ermögliche dem Konzern, darauf flexibel zu reagieren. Er verfolge mit der Uniklinik eine „langfristige Strategie“, sagte der Manager. Fragen zu Details beantwortete er nicht. Der ärztliche Geschäftsführer am Standort Gießen, Werner Seeger, zeigte sich erleichtert. Erstmals seit der Privatisierung vor 18 Jahren sei die Klinik nicht mehr gezwungen, sich selbst zu finanzieren.
Nach Ansicht von Verdi-Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm, reicht der Vertrag nicht aus. „Besonders unverständlich ist der fehlende Schutz vor Ausgliederung und Kündigung für die Beschäftigten der Service GmbH“, sagte er der Frankfurter Rundschau. Gerade jene, die nicht viel verdienen, müssten weiterhin um ihre Arbeitsplätze bangen. „Die Politik hätte die Kolleg:innen vor den Erpressungen des Konzerns schützen können.“ Kritisch sieht er auch, dass das Land auf Vorgaben verzichtet. „Die Probleme bleiben ungelöst“, sagt Dzewas-Rehm. Die Versorgungsqualität nehme stetig ab, der „eklatante Personalmangel“ führe zu langen Wartezeiten. Verdi kämpft derzeit für einen Entlastungstarifvertrag, damit die Uniklinik wieder eine attraktive Arbeitgeberin wird.
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