Hessen: Soziale Arbeit im Stress

Die Pandemie hat die Belastung der Beschäftigten noch verschärft. Verdi forderte einen Schulterschluss der Bund, Länder und Kommunen.
Die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit in Hessen sind am Limit. So das Fazit einer am Dienstag vorgestellten Studie von Nikolaus Meyer (Hochschule Fulda) und Elke Alsago (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi). Befragt wurden mehr als 720 Beschäftigte aus der Sozialen Arbeit in Hessen. Sie zeigten hohe berufliche Erschöpfungswerte und sehen bereits eine verminderte eigene Leistungsfähigkeit. Die Gründe hängen demnach unmittelbar mit der Corona-Pandemie zusammen. Sie habe die Situation noch verschärft. Betroffen vor allem: Beschäftigte in Kindertagesstätten, Jugendämtern, Beratungsstellen, der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigung, der Einrichtungen für Hilfen zur Erziehung, der Ganztagesbetreuung an Grundschulen, der Schulsozialarbeit, der Wohnungslosenhilfe sowie der offenen Kinder- und Jugendarbeit.
An den Grenzen der Leistungsfähigkeit
Die Ergebnisse: 60 Prozent der Befragten in Hessen sagten, sie fühlten sich häufig oder sogar sehr häufig an der Grenze der Leistungsfähigkeit. Knapp die Hälfte gab an, dass die Nachfrage nach den Angeboten der Sozialen Arbeit seit Beginn der Corona-Pandemie bis heute deutlich angestiegen ist. 84 Prozent nehmen wahr, dass die Problemlagen bei den bereits vor Ausbruch der Pandemie vorhandenen Adressaten zugenommen hat. „Damit verschärft die Corona-Pandemie, durch die gestiegenen Hilfebedarfe, den bereits zuvor herrschenden Personalmangel in der Sozialen Arbeit“, stellt Verdi fest.
Bundesweit hatten im vergangenen November mehr als 8200 Beschäftigte aus den verschiedenen Bereichen der Sozialen Arbeit mithilfe eines Online-Fragebogens an der Befragung teilgenommen. Die wissenschaftliche Auswertung zeigt deutschlandweit ein hohes Burnout-Risiko, so Verdi. Rund 39 Prozent gaben an, regelmäßig drei oder mehr Stunden wöchentlich zusätzlich zu arbeiten, 65 Prozent fühlten sich bei ihrer Arbeit unter Zeitdruck. Im Ergebnis gehen aktuell mehr als 77 Prozent der Befragten davon aus, nicht bis zur Rente weiterarbeiten zu können.
„Die Folgen treffen nicht alleine die bundesweit rund 1,5 Millionen Beschäftigten in der Sozialen Arbeit, sondern auch die mehr als fünf Millionen Menschen, die unmittelbar in den Einrichtungen der Sozialen Arbeit begleitet werden“, sagte Verdi-Bundesfachgruppenleiterin Alsago.
Zugespitzt
Die Situation und Belastung habe sich in den vergangenen Jahren zugespitzt. Es sei versäumt worden, Nachwuchs auszubilden und neue Kräfte einzustellen. „Oft ist das Angebot abhängig von der Finanzkraft der Kommunen. Dies führt zu einer prekären Situation für Beschäftigte und Adressatinnen und Adressaten“, sagte Jana Beißert, zuständige Gewerkschaftssekretärin in Hessen.
Verdi fordert einen „Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen“ sowie finanzielle Mittel für Ausbildung und Studium zukünftiger Fachkräfte. Der Personalschlüssel und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten müsse verbessert werden, die Bezahlung angehoben werden. „Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, ist auch eine Frage der finanziellen Anerkennung.“ Dafür kämpfe Verdi in der aktuellen Tarifrunde für den öffentlichen Dienst.