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Hessen: Reformen für die Documenta

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Von: Hanning Voigts

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Das großflächige Werk „People’s Justice“ wurde schon während der Documenta entfernt. Foto: epd
Das großflächige Werk „People’s Justice“ wurde schon während der Documenta entfernt. Foto: epd © epd

Der hessische Landtag diskutiert den wissenschaftlichen Abschlussbericht zu antisemitischen Werken auf der Documenta. Kunstministerin Angela Dorn verlangt strukturelle Reformen.

Nach der Ausstellung antisemitischer Kunstwerke auf der Documenta in Kassel hat Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) erneut Reformen für die international relevante Schau für Gegenwartskunst angemahnt. „Es gibt strukturelle Defizite in der Steuerung und in der Krisenprävention“, sagte Dorn am Donnerstag im hessischen Landtag, wo ihre Partei eine Debatte zum Abschlussbericht des unabhängigen wissenschaftlichen Beratergremiums zur 15. Documenta angesetzt hatte.

Das Zeigen judenfeindlicher Werke bleibe eine „nicht entschuldbare Grenzüberschreitung“, der Bericht belege das klar und mache auch Handlungsvorschläge für Reformen, erläuterte Dorn. Die Documenta brauche in Zukunft „interne Kontrollmechanismen“ und mehr externe Beratung, wie sie diese schon vor Beginn der jüngsten Kunstausstellung im Juni vergangenen Jahres angeregt habe, als es erste Warnungen vor möglicherweise antisemitischen Inhalten gegeben habe. Dies habe die Stadt Kassel damals als Eingriff in die Kunstfreiheit abgelehnt, sagte Dorn. Der Bund müsse generell eine stärkere Rolle auf der Documenta spielen, die Geschäftsführung wohl auch mehr Eingriffsmöglichkeiten erhalten.

Documenta: Vier Kunstwerke waren eindeutig antisemitisch

Der kürzlich erschienene Abschlussbericht des wissenschaftlichen Beratergremiums unter der Leitung der Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff hatte bei vier Werken, die auf der von dem indonesischen Künstlerkollektiv „Ruangrupa“ kuratierten Documenta gezeigt wurden, eine antisemitische Bildsprache oder antisemitische Inhalte festgestellt.

Dabei handelt es sich um das während der Schau abgehängte Banner „People’s Justice“ des Kollektivs Taring Padi, die Filminstallation „Tokyo Reels“ des belgisch-palästinensischen Kollektivs „Subversive Film“, Werke aus der Serie „Guernica Gaza“ der „Eltiqa Group for Contemporary Art“ aus Gaza und die von der Gruppe „Archives des luttes des femmes en Algérie“ gezeigte Reproduktion einer Broschüre von 1988. Außerdem kritisiert der Bericht eine Diffusion der Verantwortung vor und während der Schau. Die Reaktionen der Geschäftsführung und der Kurator:innen von Ruangrupa seien „dem Ernst der Vorfälle nicht angemessen“ gewesen und hätten die Lage sogar verschärft, so das siebenköpfige Gremium.

Hessen: FDP-Politiker Naas spricht von einem „Scherbenhaufen“

Der FDP-Abgeordnete Stefan Naas sagte in der Debatte, die Documenta stehe vor einem „Scherbenhaufen“, für den auch Angela Dorn die Verantwortung trage. Verantwortungslosigkeit sei auf der Kunstschau „zum Prinzip erhoben“ worden, schon die Entscheidung für Ruangrupa sei ein Fehler gewesen. Die zuständige Ministerin Dorn habe das Problem im Vorfeld „kleingeredet“. In Zukunft müssten jüdische Perspektiven ernster genommen werden, forderte Naas.

Gernot Grumbach von der SPD lobte den Abschlussbericht als ausgewogen und kritisierte, schon während der Documenta hätte es mehr echten Dialog geben müssen. Aufklärung gelinge „nicht mit der Axt, sondern mit der Rede“, formulierte Grumbach.

Documenta: Linke verteidigt die „antikoloniale Perspektive“ auf der Ausstellung

Elisabeth Kula, Fraktionschefin der Linken, kritisierte den gezeigten Antisemitismus, verteidigte aber die Entscheidung, Ruangrupa auf die Documenta einzuladen. Dort sei eine „antikoloniale Perspektive“ gezeigt worden, dabei müsse man sich auch kritisch mit einzelnen Staaten auseinandersetzen können.

Der CDU-Politiker Andreas Hofmeister sagte, die durch die Documenta in der jüdischen Gemeinschaft geschlagenen Wunden seien „nicht einfach zu schließen“. Die Reformvorschläge des wissenschaftlichen Beratergremiums müssten jetzt umgesetzt werden, damit die Documenta eine Zukunft in Kassel haben könne, so Hofmeister. (Hanning Voigts)

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