Hessen: Radwegeausbau im Schneckentempo

Dem ADFC fehlt es am Willen zur Verkehrswende in Hessen. Für Samstag steht dazu ein Leitantrag zur Abstimmung.
Das Fahrrad muss im Mittelpunkt der Verkehrswende stehen. Und diesem Ziel nähert sich Hessen nach Ansicht des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) definitiv zu langsam. Die Fahrradlobby erhöht jetzt den Druck auf die Landesregierung.
Autozentrierte Infrastruktur
Die bisherigen politischen Anstrengungen reichten bei weitem nicht aus, heißt es in dem politischen Leitantrag, der bei der Landesversammlung in Frankfurt am Samstag, 18. März, zur Abstimmung steht. Lediglich elf Prozent der Landesstraßen verfügten über einen Radweg – jährlich kämen nur wenige Kilometer hinzu. Die aktuelle Förderung über die Nahmobilitätsrichtlinie des Landes sei unzureichend. „Der fahrradfreundliche Umbau der autozentrierten Infrastruktur würde beim jetzigen Tempo noch viele, viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen“, heißt es in dem Entwurf, der der Frankfurter Rundschau vorliegt. Geprägt ist er einerseits von der ablehnenden Haltung der Landesregierung zum Gesetzentwurf der Verkehrswende Hessen. Zum anderen markiert er die Themen im Kampf um die Landtagswahl am 8. Oktober.
Das Ziel des Nationalen Radverkehrsplans, eine Verdopplung der Radverkehrsleistung bis 2030, kann so nicht erreicht werden, heißt es in dem Papier. Im vergangenen Jahr seien die Emissionen im Verkehrssektor erneut gestiegen. In den kommenden acht Jahren müssten sie um mehr als 44 Prozent sinken, nur so würden die Ziele des Bundesklimaschutzgesetzes eingehalten.
Autozentrierte Infrastruktur
Der Leitantrag zählt viele weitere Argumente auf. Etwa die Sicherheit. Die Vision Zero – null Verkehrstote und Schwerverletzte im Straßenverkehr – erfordere eine deutliche Beschleunigung des Infrastrukturausbaus. „Dieser Infrastrukturumbau ist, insbesondere in den Verdichtungsräumen, ohne eine erhebliche Flächenumverteilung zulasten des fließenden und ruhenden KFZ-Verkehrs und zugunsten des Umweltverbundes nicht möglich.“
Die Verkehrswende habe großes Potenzial für die Gesundheits- und Bewegungsförderung. Die Luftverschmutzung durch den Autoverkehr werde reduziert. Fuß- und Radverkehr hülfen im Kampf gegen Bewegungsmangel und dessen gravierender gesundheitlicher Folgen.
„Angesichts der großen demografischen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte wäre es ein großes politisches Versäumnis, wenn der Radverkehr nicht als einfache und kostengünstige Möglichkeit der Gesundheitsförderung genutzt würde“, heißt es in dem Entwurf. Im Wachstum des Radverkehrs in Freizeit und Alltag lägen „erhebliche Arbeitsplatzpotenziale in Industrie, Handel, Werkstätten, Beherbergung, Gastronomie und vielen weiteren Dienstleistungsbereichen“.
In dem Leitantrag fordert der Verband die Landesregierung auf, das Verkehrswendegesetz der Initiative „Verkehrswende Hessen“ zu verabschieden. Mehr als 70 000 Unterschriften hatte sie für ein Volksbegehren gesammelt und sie im September nach Wiesbaden transportiert. Die Landesregierung lehnt es aus formalen Gründen ab. Am 19. Oktober hat die Initiative dagegen Klage vor dem hessischen Staatsgerichtshof eingereicht.
Weitere Forderungen: Gefährdungen, die vom fließenden und ruhenden Verkehr ausgehen, konsequent ahnden. Das landesweite Rad-Hauptnetz muss bis spätestens 2033 durchgängig in hoher Qualität befahrbar sein. In der im Januar beginnenden neuen Legislaturperiode müssen jährlich 100 Kilometer zusätzlicher Radwege an Landesstraßen fertiggestellt werden. Zudem soll Wiesbaden jährlich 30 Euro pro Einwohnerin und Einwohner in die Fahrradinfrastruktur investieren. Der ADFC hat sich auch Gedanken gemacht, wie diese und die weiteren in dem Papier aufgelisteten Forderungen finanzierbar sind: Hessen soll sich aktiv für ein Moratorium für den Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen einsetzen. „Dadurch können Finanzmittel und Kapazitäten in Planung und Bauwirtschaft für den beschleunigten Ausbau des Umweltverbundes eingesetzt werden.“
https://www.adfc-hessen.de