1. Startseite
  2. Rhein-Main
  3. Landespolitik

Hessen Porträt: Der Experte für so vieles wird 75 Jahre

Erstellt:

Von: Jutta Rippegather

Kommentare

Der Landtagsabgeordnete Frank Kaufmann (Bündnis 90/Die Grünen) tritt nicht noch einmal an. Bild: Michael Schick
Der Landtagsabgeordnete Frank Kaufmann (Bündnis 90/Die Grünen) tritt nicht noch einmal an. Bild: Michael Schick © Michael Schick

Grünen-Politiker Frank Kaufmann feiert mit der Partei Geburtstag. Und tritt nicht mehr zur Wahl an

Es gibt Menschen, die aus dem hessischen Landtag nicht wegzudenken sind. Frank Kaufmann ist so einer. Knapp 28 Jahre dabei. Studierter Physiker, Experte für den Flughafen, Finanzen und noch so vieles mehr in der Landtagsfraktion der Grünen. Berater für die Youngsters, zum Beispiel. Einer mit großem Hintergrundwissen, das er gerne teilt. Gourmet – das sieht man ihm an, und dazu steht er. Frankreichfan, Mann der klaren Worte und, ganz Wissenschaftler, des scharfen Verstands. Nur auf den ersten Eindruck ein brummeliger Typ, der verfliegt im Gespräch sehr schnell. Am Donnerstag, 9. März, feiert Frank Kaufmann seinen 75. Geburtstag.

Die Grünen richten für ihren alten Kämpen einen Empfang im Musiksaal des Landtags aus. Eine Sause bis tief in die Nacht wird es nicht werden, für den nächsten Tag, 9 Uhr, steht die nächste Fraport-Aufsichtsratssitzung auf dem Kalender. Ein Pflichttermin für den Dietzenbacher, dem es vor der Aufgabe Anfang nächsten Jahres schon jetzt graust. Mitte Januar muss er sein mit Akten, Zeitungsartikeln und Andenken vollgestopftes Arbeitszimmer im Fraktionsflur räumen.

Kaufmann kandidiert nicht noch einmal für den Landtag. Wenn sich das neue Parlament am 18. Januar konstituiert, ist endgültig Schluss mit der Landespolitik. Keine einfache Entscheidung, sagt der Mann, der von 1984 bis 1989 Erster Stadtrat in Dietzenbach war. Doch nun sei das Alter erreicht, aufzuhören. Wer Vernunft in der Politik propagiere, müsse auch privat entsprechend handeln, sagt er. „Man möchte nicht waagerecht aus dem Parlament herausgetragen werden.“ Und dass er und seine Frau noch Pläne haben, womöglich einen Ortswechsel – da ist noch nichts spruchreif, aber es wird diskutiert.

Manche warfen Kaufmann vor, die Seiten gewechselt zu haben, als er 2019 Mitglied des Flughafen-Aufsichtsrats wurde. Hatte der Kleinaktionär doch jahrelang bei jeder Fraport-Hauptversammlungen Missstände angeprangert und dabei mit Fachkunde geglänzt. Jetzt stellt er seine kritischen Betrachtungen nicht mehr öffentlich an, sondern hinter verschlossenen Türen, versichert der gebürtige Berliner der Frankfurter Rundschau. Und dass sich an seiner kritischen Haltung zum Flughafen nichts geändert hat.

Eine Anekdote: Kaufmann erinnert sich noch sehr gut an den Sonntag nach Eröffnung der Landebahn Nordwest, als erstmals die Folgen in vollem Umfang offenbar wurden. Als er gegen 14 Uhr auf der Lahnstraße in Flörsheim stand und in einem Abstand von weniger als einer Minute die Flugzeuge krachend über ihn hinwegdüsten. „Ich habe gedacht, die Leute werden verrückt.“ Die Veränderungen trieben Tausende zum Protest auf die Straße. Über Jahre.

Die aktuellen Probleme haben die des Lärms und Feinstaubs in den Hintergrund gedrängt. Von der politischen Agenda sind sie nicht verschwunden. „Das ist nach wie vor ein Thema, und wir müssen alles dafür tun, dass das reduziert wird.“ Zur Wahrheit gehöre aber, dass die Belastungen nicht komplett abgestellt werden können. Und dass der Flughafen auch Arbeitsplätze in die Region bringe.

Was Kaufmann derzeit viel mehr als der Flughafen bewegt, ist der Untersuchungsausschuss zum Attentat von Hanau. Mit Obfrau Vanessa Gronemann vertritt er dort die Grünen. Es gelinge einfach nicht, eine Brücke zwischen den Angehörigen der Opfer und den Staatsvertreter:innen zu bauen. Die eine Seite stelle falsche Behauptungen auf, die andere sei nicht bereit, Fehler einzuräumen. „Ja, es gibt massive Versäumnisse“, sagt Kaufmann. Und er hofft, dass die im Abschlussbericht, den die CDU mittragen muss, auch klar benannt werden. Es sei aber zu bezweifeln, dass der Tod der neun Menschen hätte verhindert werden können.

Was sich der 74-Jährige von der politischen Aufarbeitung der rassistischen Tat verspricht, ist, dass die Polizei die Opfer und Angehörigen künftig sensibler behandelt. „Da gibt es große Defizite.“ Das grundsätzliche Problem sei, dass es bei einem toten Täter nicht zu einem Gerichtsverfahren kommt. „Das hätte vielleicht einiges verifiziert.“ Ein Untersuchungsausschuss könne dies nicht leisten, die Erwartungen der Angehörigen seien definitiv nicht in vollem Maße zu erfüllen. „Wir müssen uns darauf einrichten, dass Enttäuschungen bleiben.“

Keine guten Aussichten für die nächsten Monate, in denen die Konkurrenz im Wahlkampf nach Themen sucht. „Ich hoffe sehr, dass dies politisch nicht instrumentalisiert wird.“

Auch interessant

Kommentare