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Hessen: Polizei-Software als Gefahr für unschuldige Bürger

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Von: Jutta Rippegather, Hanning Voigts

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Für den Polizeialltag ist „Hessendata“ durchaus praktisch.
Für den Polizeialltag ist „Hessendata“ durchaus praktisch. dpa © dpa

Der hessische Datenschutzbeauftragte kritisiert die in Teilen verfassungswidrige Polizei-Software „Hessendata“. Die Nutzung des Programms der Firma Palantir muss gesetzlich neu geregelt werden.

Innenminister Peter Beuth (CDU) versuchte dem Urteil noch etwas Positives abzugewinnen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht Mitte Februar entschieden hatte, dass die Nutzung der Analysesoftware „Hessendata“ durch die hessische Polizei zum Teil verfassungswidrig ist, meldete sich der zuständige Minister optimistisch zu Wort. Immerhin habe das höchste deutsche Gericht anerkannt, dass die Polizei in digitalen Zeiten Werkzeuge für die Analyse großer Datenmengen brauche, sagte Beuth. Zudem dürfe Hessendata zumindest zum Teil weiter verwendet werden. Das sei „ein wichtiges Signal für die weitere Digitalisierung der Ermittlungsarbeit unserer Sicherheitsbehörden“.

Auch wenn Peter Beuth es öffentlich anders behauptete: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellte eine juristische Niederlage für die hessische Landesregierung dar. Die bisherige Nutzung von Hessendata, 2017 zur Prävention oder Aufklärung von Straftaten eingeführt und vom US-Softwareunternehmen Palantir extra für Hessen angepasst, verstößt nach Überzeugung der höchsten Richter:innen gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Außerdem muss nach Überzeugung des Verfassungsgerichts genauer definiert werden, zur Abwehr welcher Gefahren Hessendata eingesetzt werden soll.

Palantir-Software in Hessen: Kritik von Anfang an

Schon bei der Einführung der Palantir-Software hatte es viel Kritik an Hessendata gegeben, weil das Programm es möglich macht, unterschiedliche der Polizei vorliegende Daten automatisiert miteinander zu verknüpfen und auszuwerten. Dabei, so die Sorge, könnten auch unbescholtene Bürger:innen ins Visier geraten. Nun muss das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) bis Ende September so neu gefasst werden, dass die weitere Nutzung von Hessendata den Ansprüchen aus Karlsruhe gerecht wird. Insbesondere wird es im Gesetz nicht weiter heißen können, die Analyse persönlicher Daten sei „in begründeten Einzelfällen“ legal.

Am Dienstag meldete sich der hessische Datenschutzbeauftragte Alexander Roßnagel zu der Palantir-Software zu Wort. Bei der Neufassung des HSOG müsse die Landesregierung nun definieren, wie viele Daten verwendet werden sollen und wie viele Personen darauf Zugriff haben, sagte Roßnagel bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2022 in Wiesbaden. Beispiel Wiesbadener Hauptbahnhof: Theoretisch könne die Polizei dort innerhalb einer halben Stunde Millionen von Funkzellendaten aufzeichnen, sagte Roßnagel – von jeder Person, die zu dieser Zeit ein betriebsbereites Handy in der Tasche habe. Das gehe zu weit, weil die Gefahr bestehe, dass auch harmlose Passant:innen ins Visier geraten, so der Datenschutzexperte.

Hessen: Der Datenschutzbeauftragte plädiert für eingeschränkten Zugang

Gleiches gelte für die elektronischen Notizbücher, in denen die hessische Polizei sämtliche Einträge vornehme - von Mord und Totschlag bis zu Lappalien wie dem Verlust eines Schlüssels oder eines Blechschadens. Tausende Beamtinnen und Beamte hätten darauf Zugriff. „Wenn die Daten ungefiltert ausgewertet werden, können viele Unbeteiligte in die Prognose hineingeraten“, sagte Roßnagel. Außer in „begründeten Fällen“ - etwa bei Terrorgefahr - müsse der Zugang in Zukunft eingeschränkt werden.

Die FDP im hessischen Landtag stieß am Dienstag ins gleiche Horn. Roßnagels Ausführungen seien ein weiterer Hinweis darauf, „dass Schwarz-Grün einen verfassungskonformen Gesetzentwurf vorlegen muss, damit der Landtag bis September darüber beraten und das Gesetz ändern kann“, sagte der FDP-Abgeordnete Jörg-Uwe Hahn. Der Fraktionschef der Linkspartei, Torsten Felstehausen, forderte, Roßnagel und seine Behörde müssten in Zukunft frühzeitiger in Gesetzgebungsprozesse eingebunden werden. (Jutta Rippegather und Hanning Voigts)

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