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Hessen-Petition: „Viele sind nicht ausreichend krankenversichert“

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Von: Jutta Rippegather

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David Kremer
David Kremer © Privat

Medizinstudent Kremer streitet mit Gleichgesinnten für das Menschenrecht auf Gesundheit. Sie machen jetzt Druck auf die Landesregierung.

Eine flächendeckende angemessene Versorgung für alle Menschen in Hessen fordert ein Bündnis aus Mittelhessen. Es hat dazu ein Konzept erstellt und eine Petition gestartet. Die Frankfurter Rundschau sprach mit einem der Initiatoren.

Herr Kremer, die Medinetze Marburg und Gießen sind ehrenamtliche studentische Initiativen, die seit Jahren praktische Hilfen organisieren. Warum werden Sie jetzt politisch aktiv?

Uns kontaktieren Menschen, die – aus welchem Grund auch immer – keinen Zugang zur normalen Gesundheitsversorgung haben. Wir klappern dann Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Therapeut:innen ab und versuchen dort, Termine auszumachen. Wir arbeiten mit Kooperationspraxen zusammen. Das ist eine ehrenamtliche, spendenbasierte Arbeit, die wir lokal in Marburg oder Gießen leisten. Wir leisten so viel wir können, aber das reicht nicht aus. Wir brauchen eine hessenweite Lösung, die das umfassend angeht. Das Menschenrecht auf Gesundheit darf nicht abhängig davon sein, in welchem Tarif man gerade ist.

Was sind das für Menschen, die sich an Sie wenden?

Grob eingeteilt gibt es drei Gruppen: Menschen ohne Papiere mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus, die nur eingeschränkte Leistungen bekommen oder wegen der Übermittlungspflicht des Sozialamts keinen Zugang haben. Dann EU-Bürger:innen, oft in prekären Arbeitsverhältnissen, bei denen unklar ist, ob sie in ihrem Herkunftsland krankenversichert sind und in welchem Umfang. Die dritte Gruppe sind Bundesbürger:innen. Vor allem Selbstständige, die privatversichert waren und aus welchen Gründen auch immer das nicht mehr vollumfänglich bezahlen können. Deshalb kann man oft nicht sagen, die Menschen seien nicht krankenversichert. Viele sind einfach nicht ausreichend krankenversichert.

Zur Person

David Kremer ist 23 Jahre alt, studiert im 10. Semester Medizin und ist seit zweieinhalb Jahren bei Medinetz Marburg aktiv.

In einer Petition fordern Medinetz Marburg und Gießen einen Anonymen

Behandlungsschein und eine Clearingstellen in Hessen. Sie läuft noch bis 10. Mai und soll am selben Tag dem Landtag übergeben werden. jur

www.change.org/gesundheit-für-alle-in-hessen

Um Ihrer politischen Forderung Nachdruck zu verleihen, haben Sie ein Konzept erstellt und an das hessische Gesundheitsministerium geschickt. Wie ist es entstanden?

Das Konzept haben wir über etwa zwei Jahre geschrieben, dazu mit vielen Menschen geredet, die in dem Bereich Erfahrungen gesammelt haben. Wir haben darin das unserer Meinung nach Beste zusammengetragen, was aber nicht das Perfekte sein muss.

Das heißt, Sie haben die Vorarbeit geleistet, um es der Politik leichter zu machen. Was sind die Vorbilder?

Es ist die Frage, wie man es umsetzen will. Eine bundeslandweite Lösung ist der anonyme Krankenschein in Thüringen. Daran haben wir uns stark orientiert. Ein paar Detailfragen würden wir anders beantworten, auch weil die Bevölkerungsstruktur nicht eins zu eins auf Hessen übertragbar ist. Man kann sich trotzdem viel abschauen und von den dortigen Startproblemen lernen. Der anonyme Krankenschein ist in Thüringen ebenfalls aus einem Medinetz erwachsen. Sie haben einen Verein begründet, den die Landesregierung finanziert.

Würde Hessen den anonymen Krankenschein einführen, bräuchte es Medinetze nicht mehr. Ist das Ihr Ziel?

So ist es. Unser utopisches Fernziel ist, dass wir uns selbst abschaffen können. Egal, wie viel Mühe wir uns geben und wie viel Arbeit wir hineinstecken, Spenden sammeln, Kooperationspraxen finden. Das wird nie einer Versorgung gleichkommen, die ein regelgerecht krankenversicherter Mensch in Deutschland erhält, einem Land, in dem viel Geld für das Gesundheitssystem zur Verfügung steht. Aber selbst wenn unser Konzept eingeführt wird, ist es unrealistisch, dass wir von heute auf morgen unsere Arbeit einstellen können. Man muss ja erst mal die Menschen erreichen, das muss publik werden, das braucht Vorlaufzeit. Wir gehen davon aus, dass wir noch ein paar Jahre danach gebraucht werden. Aber hoffentlich in einem geringeren Ausmaß.

Interview: Jutta Rippegather

Der Weg in die Arztpraxis muss jedem offenstehen, sagt das Medinetz-Bündnis.	Christoph Boeckheler
Der Weg in die Arztpraxis muss jedem offenstehen, sagt das Medinetz-Bündnis. Christoph Boeckheler © Christoph Boeckheler

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