Hessen: Mit Wind die Kita finanzieren

Projekt am Winterstein in der Wetterau hat Modellcharakter für ganz Hessen. Die finanzielle Beteiligung von Kommunen sowie Bürgern und Bürgerinnen an den Windrädern soll deren Akzeptanz erhöhen.
Windkraftanlagen sind nötig für die Energiewende – am eigenen Wohnort meist aber nicht so gern gesehen. In der Wetterau soll nun am Winterstein – einem beliebten Naherholungsgebiet – ein Windpark entstehen. Bund, Land und die Anrainerkommunen gehen dabei neue Wege, um die Akzeptanz zu steigern.
„Vor sechs Jahren war ich selbst noch ein Gegner von Windrädern, jetzt sehe ich sie als große Chance für die Energiewende“, sagt Dirk Antkowiak. Der Christdemokrat ist Bürgermeister von Friedberg im Wetteraukreis. Nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine zeige, dass man sich unabhängig von russischen Gaslieferungen machen müsse. Am besten mit erneuerbaren Energien.
Was jetzt am Winterstein entstehen soll, hat Modellcharakter. Das Land Hessen hat dort eine Vorrangfläche für Windkraft ausgewiesen, eine von rund 120 in Südhessen. 414 Hektar Taunuswald, Platz für 20 Rotoren.
Die Vorrangfläche erstreckt sich über Gemarkungsgrenzen hinweg und ist im Besitz mehrerer Eigentümer. So gehören knapp 140 Hektar der Fläche zu Friedberg, 40 zu Wehrheim; der Bund und das Land Hessen besitzen jeweils rund 110 Hektar. Acht Hektar sind Teil der Gemarkung von Rosbach vor der Höhe.
Die Eigentümer der Flächen (mit Ausnahme Wehrheims) und die unmittelbar angrenzende Gemeinde Ober-Mörlen wollen eine Absichtserklärung (Letter of Intent) unterzeichnen beziehungsweise haben das bereits getan, wonach der Windpark möglichst aus einem Guss entwickelt werden soll. Auch ein Verteilungsschlüssel für die Einnahmen wurde vereinbart. Und: Die beteiligten Kommunen sowie die Bürger und Bürgerinnen sollen sich finanziell an dem Windpark beteiligen können und so an den Erträgen aus der Windkraft teilhaben.
500 000 Euro im Jahr
„Wir haben mit acht Hektar nur einen kleinen Anteil der Fläche“, sagt Rosbachs Bürgermeister Steffen Maar (parteilos). Vielleicht passe ein Windrad hin. Windkraftanlagen würden am Winterstein ohnehin entstehen, ist sich Maar sicher. „Bund und Land, denen ja viel Wald gehört, werden das vorantreiben, wie es ja auch politisches Ziel ist“, sagt er.
Aber auch das eine Windrad auf Rosbacher Gemarkung hat es in sich. „Wir rechnen mit jährlichen Einnahmen aus Verpachtung und Gewerbesteuer mit gut einer halben Million Euro“, berichtet er. „Das sind zehn Kindergärtnerinnen für drei Gruppen mit insgesamt 75 Kindern“, rechnet Maar vor, für die die Personalkosten gedeckt werden könnten. Bei 30 Millionen Euro Einnahmen, die Rosbach in etwa pro Jahr hat, sind die Einnahmen aus dem Windrad also durchaus spürbar.
Noch lukrativer kann es werden, wenn Kommunen oder Bürger und Bürgerinnen sich selbst finanziell an den Rotoren beteiligen. Der Friedberger Antkowiak kann sich das durchaus vorstellen. „Wir werden das politisch diskutieren“, kündigt er an. Denkbar sei ein eigenes Windrad oder auch die finanzielle Beteiligung am Windpark insgesamt. Auch für Friedbergs Stadtkasse wären mögliche Einnahmen aus der Windkraft „nicht unerheblich“, sagt der Bürgermeister.
In den nächsten Monaten geht es nun darum, einen Projektierer für den Windpark Winterstein zu finden. Auch die Bürger und Bürgerinnen sollen ausführlich informiert werden. Die beteiligten Kommunen wollen dazu mit der Landesenergieagentur kooperieren. Dann soll es auch um konkrete Beteiligungsmodelle gehen.
Unumstritten sind Windräder auf den Taunuskämmen ohnehin nicht, auch nicht die auf dem Winterstein. Die Bürgerinitiativen „Keine Windkraft am Winterstein“ und „Gegenwind Wetterau“ führen Lärm, Schlagschatten, Beeinträchtigungen von Wald und Tierwelt, möglichen Infraschall sowie wirtschaftliche und soziale Nachteile an. Hinzu komme die „optische Beeinträchtigung“ durch die riesigen Windräder.
Gebiet „zugepflastert“
Der Winterstein solle „zugepflastert“ werden, heißt es etwa bei der BI „Keine Windkraft auf dem Winterstein“, die Pläne seien geeignet, das Naherholungsgebiet „zu zerstören“. Die Vorrangfläche betreffe ein Heilquellenschutzgebiet und mehrere Wasserschutzgebiete. Das Grundwasser sei durch den Bau und Betrieb der Anlagen gefährdet.
Mit den Kritikern werden sich die Befürworter des Windparks also wohl weiterhin auseinandersetzen müssen – auch Friedbergs Bürgermeister Antkowiak. Die Dienstfahrzeuge seien bereits auf E-Mobilität umgestellt, um die Energiewende zu befördern und unabhängiger von ausländischen Lieferungen zu werden, sagt er. Und fügt an: „Irgendwoher muss der Strom dafür dann ja auch kommen.“