Hessen: Landtag streitet über Gewalt gegen Einsatzkräfte

Die in machen Städten erfolgten Übergriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht werden Thema im hessischen Parlament. Fast alle Fraktionen mahnen eine differenzierte Debatte an.
Knapp vier Wochen nach der Silvesternacht hat der hessische Landtag sich am Donnerstag mit den in mehreren deutschen Städten, darunter Berlin und Frankfurt, erfolgten Angriffen auf Rettungskräfte, Feuerwehrleute und Polizist:innen befasst. Alle Fraktionen verurteilten die Gewalttaten und solidarisierten sich mit den Einsatzkräften. Bei der Bewertung der Ursachen jedoch traten deutliche Unterschiede zutage.
Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) betonte, die Landesregierung treibe das Thema von Gewalttaten gegen Uniformierte seit Jahren um, spätestens seit den Ausschreitungen bei den Protesten des „Blockupy“-Bündnisses gegen die Eröffnung der neuen Europäischen Zentralbank im Frühjahr 2015. „Es ist leider ein wachsendes Problem über die letzten Jahre“, sagte Beuth. „Und wir können das nicht akzeptieren.“ Einsatzkräfte seien „Repräsentanten unseres demokratischen Rechtsstaats“, sie verdienten Respekt und Unterstützung, sagte der CDU-Politiker. Die Landesregierung helfe etwa der Polizei mit mehr Stellen, sogenannten Bodycams, besserer Schutzausrüstung und schärferen Strafen bei Angriffen auf Beamte. Insgesamt werbe das Land für Respekt gegenüber Einsatzkräften.
Die Staatsanwaltschaften in Hessen sollen spezielle Dezernate für Angriffe auf Beamte bilden
Justizminister Roman Poseck (CDU) verwies auf seine bereits zuvor verkündete Entscheidung, in allen hessischen Staatsanwaltschaften Schwerpunktdezernate für die Verfolgung von Angriffen auf Amtsträger:innen zu schaffen. „Das ist kein Populismus, dafür gibt es sehr gute inhaltliche Gründe“, sagte Poseck mit Blick auf entsprechende Kritik aus der Opposition. Diese Dezernate bündelten Kompetenzen und Erfahrung und könnten so Strafverfahren beschleunigen.
Explizit griff Poseck die Linksfraktion und die in Teilen rechtsextreme AfD an. Beide hätten Kontakte in staatsfeindliche Milieus, etwa zu gewaltbereiten Klimaschützer:innen oder zu sogenannten Reichsbürger:innen. „Wir brauchen eine klare Brandmauer gegen diejenigen, die aus politischen Gründen Straftaten begehen.“
Hessen: Warnungen vor Verkürzung des Problems auf Menschen mit Migrationsgeschichte
Aus mehreren Fraktionen kamen Warnungen, die Debatte um Gewalt gegen Einsatzkräfte zu verkürzen und das Phänomen auf Migrant:innen oder Deutsche mit Migrationshintergrund zu schieben. „Das ist zu kurz gegriffen, das hilft uns nicht in der Diagnose“, sagte etwa der FDP-Abgeordnete Jörg-Uwe Hahn. Die Ursachen für Gewalt seien in Bildungsbenachteiligung oder zu wenig Partizipationsmöglichkeiten zu suchen, sagte Hahn. Die Täter:innen dürften nicht die „Schlafmützigkeit des Staates“ zu spüren bekommen, sondern rasche Konsequenzen.
Eva Goldbach (Grüne) sagte, in hessischen Großstädten wie Frankfurt oder Offenbach habe die Mehrheit junger Menschen einen sogenannten Migrationshintergrund. „Das ist normal, das ist Realität.“ Man müsse fragen, warum manche Menschen „voller Wut“ auf den Staat seien und vor allem auf Jugend- und Sozialarbeit setzen. Und man dürfe nicht vergessen, dass der Staat auch bei sogenannten Querdenker:innen, Reichsbürger:innen und Coronaleugner:innen ein wichtiges Feindbild sei.
Hessen: Die SPD fordert mehr Respekt in der Gesellschaft
Heike Hofmann, Innenpolitikerin der SPD, forderte ein ganzes „Maßnahmenbündel“ gegen die Angriffe auf Einsatzkräfte. Man müsse auf Bildung und mehr Respekt in der Gesellschaft setzen, betonte die Sozialdemokratin. Bei den mutmaßlichen Täter:innen müsse man die Gesetze konsequenter anwenden, anstatt nach härteren Strafen zu rufen. Die CDU habe Justiz und Polizei jahrelang durch Stellenkürzungen geschwächt.
Der Linken-Politiker Torsten Felstehausen kritisierte in der Diskussion seit Silvester einen „Generalverdacht gegen alles, was vermeintlich als fremd vorkommt“. Im sächsischen Borna habe es ebenfalls Randale gegeben, dort aber habe niemand nach den Vornamen der Verdächtigen gefragt. Gewalttaten gingen vor allem von Männern aus, oft sei Alkohol im Spiel, die Ursache seien meist soziale und ökonomische Probleme, sagte Felstehausen.
AfD-Fraktionschef Robert Lambrou behauptete, eine Ursache der Übergriffe auf Einsatzkräfte sei die verfehlte „Migrations- und Integrationspolitik“. (Hanning Voigts)