Hessen: Land prüft Wissing-Liste zum Autobahnausbau

Der Gesetzentwurf liegt dem hessischen Verkehrsminister seit Mittwoch vor. Der Druck auf Al-Wazir wächst. Und was sagt das Bundesverkehrsministerium?
Der Countdown läuft. Bis Ende nächster Woche sollen die betroffenen Landesregierungen Stellung nehmen zu dem beschleunigten Ausbau von 145 Autobahnprojekten. Diese Frist hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Dienstag gesetzt. Und damit den Ball unter anderem nach Wiesbaden gespielt – ins Feld von Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne). „Die Frist haben sie zur Kenntnis genommen und werden beim Bund erfragen, ob es einen fachlichen Grund für diese gibt“, sagte Ministeriumssprecherin Franziska Richter der Frankfurter Rundschau am Mittwoch.
Wissing hatte seine Deadline gesetzt, bevor dem Landesministerium konkrete Informationen über das Vorhaben vorlagen, auf das sich die Ampelkoalition nach längerem Streit in einer Marathonsitzung geeinigt hatte. „Der Gesetzentwurf des Bundes liegt uns seit heute vor“, sagte Richter. „Diesen werden wir im Zuge der Länderanhörung genau prüfen.“ Dabei gehe es nicht nur um Autobahnen, sondern um die Beschleunigung von Infrastruktur insgesamt. „Gerade der Schienenausbau spielt hier in Hessen eine große Rolle.“
Mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze, Elektrifizierung von Bahnstrecken wie auch die Sanierung der maroden Straßen-infrastruktur befürworte die Hessische Landesregierung. „Das ist ausdrücklich richtig.“ Das gelte gleichermaßen dafür, dass der Bau neuer Autobahnen nicht beschleunigt werden soll. Auf Wunsch der FDP solle es für eine eng begrenzte Liste von Ausbauprojekten diese Möglichkeit jedoch ebenfalls geben, sofern die jeweils betroffenen Länder zustimmen. Diese Liste werde genau geprüft. „Wenn die weiteren Rahmenbedingungen geklärt sind, werden wir eine Entscheidung treffen“, sagte Al-Wazirs Sprecherin.
So habe der Bundesverkehrsminister vor einem Jahr angekündigt, dass die bundeseigene Autobahngesellschaft künftig nicht 200, sondern 400 Brückensanierungen im Jahr umsetzen soll. „Diese Priorität ist richtig, allerdings ist bisher unklar, ob die Autobahn GmbH über ausreichend Personal für Planung und Bau verfügt und ob eine weitere Priorisierung von der GmbH umgesetzt werden könnte.“
Das Vorhaben
Die Ampelkoalition in Berlin hat Ende März beschlossen, welche Infrastruktur beschleunigt ausgebaut werden soll. Der Kompromiss sieht vor, dass nicht nur das Schienennetz flotter wachsen soll, sondern auch das der Straßen.
Für Hessen stehen 29 Bauprojekte auf der Liste – entlang der A3, A5, A45, A60, A67 und A661. Manche sind bereits in Arbeit. Betroffen sind nicht allein Anschlussstellen: Die A5 zwischen Frankfurt und Friedberg soll mehr Spuren bekommen, ebenso die A3 vom Frankfurter Flughafen in Richtung Mönchhof-Dreieck.
Entschieden ist nichts. Das letzte Wort sollen die Länder haben. jur
Die FR fragte beim Bundesverkehrsministerium nach: Das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz werde im Einvernehmen mit dem jeweils betroffenen Land umgesetzt werden, sagte eine Sprecherin. Im aktuell gültigen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen fielen 30 Projekte in Hessen in diese Kategorien, die noch nicht in Bau oder fertiggestellt sind. Alle seien nicht neu, sondern vom Bundestag schon 2016 mit dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen beschlossen. „Durch die Festlegung des überragenden öffentlichen Interesses erhielten die Projekte ein höheres Gewicht. Entscheidungen könnten schneller getroffen und Verfahren schneller abgeschlossen werden. Dabei spiele ausreichend gut ausgebildetes Personal eine große Rolle, so die Sprecherin. Die Bundesregierung bemühe sich um Verbesserung der Personal- und Weiterbildungssituation in der Verwaltung.
Ungeachtet dessen wächst der Druck auf den Verkehrsminister und die schwarz-grüne Landesregierung. Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände forderte am Mittwoch, Wissings Vorschlag zuzustimmen, den Ausbau der Autobahnen 3, 5, 45, 60, 67 und 661 zu beschleunigen.
Al-Wazir und die Grünen müssten jetzt „Farbe bekennen“, sagte FDP-Landtagsabgeordneter Stefan Naas, so wie Al-Wazir Spitzenkandidat zur Landtagswahl im Oktober. „Die Menschen wollen wissen, ob Hessen die erforderliche Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur auch in Bezug auf Straßen mitträgt, oder ob sich die Grünen diesem wichtigen Schritt verschließen.“
Der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Axel Gerntke, appellierte, die Klimaschutzziele ernst zu nehmen. „Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir ist nun gefordert, dem Bundesminister der Asphalt-statt-Wald-Partei FDP eine Absage zu erteilen.“ Nicht eine Beschleunigung des Autobahnbaus sei notwendig, sondern Schritte, die eine sozial-ökologische Verkehrswende voranbringen.