Hessen-Kolumne: Parkskandal

Das Landesparlament ist so stark gewachsen, dass nicht mehr jedem Abgeordneten ein Parkplatz zur Verfügung steht. Zeit fürs Umsteigen. Löwensenf - die Kolumne aus dem Landtag.
Beim Autofahren hört der Spaß für viele auf. Klimakrise hin, hohe Spritpreise her. Das Vehikel hat weiterhin Liebstes-Kind-Potenzial. Speziell bei den etwas älteren Semestern, in deren Kindheit das Fahrrad noch als Vehikel der armen Leute galt. Öffentlicher Nahverkehr sowieso. Die Auswüchse lassen sich täglich auf den Überholspuren der Autobahnen beobachten. Daran würde mit Sicherheit auch ein zehnspuriger Ausbau nichts ändern. Wehe, wenn der Vordermann einen dazu zwingt, den Druck auf das Gaspedal zu mindern. Zur Strafe gibt’s die Lichthupe.
Keine Bananenrepublik
Zu kritischen Situationen kommt es auch immer wieder in Zusammenhang mit dem Parken. Mitunter artet die Konkurrenz um eine Lücke in eine Prügelei aus. Das ist allerdings nicht das Niveau der Menschen, die im Landtag motorisiert verkehren. Die lassen nicht die Fäuste fliegen – wir sind ja keine Bananenrepublik –, sondern sorgen dafür, dass die Missetat öffentlich wird.
Keine Bananenrepublik
Das Parkhaus des Landtags steht nicht nur unter strenger Beobachtung des Personals an der Pforte. Sondern wer sich nicht regelkonform verhält, zieht auch den Zorn eines oder gar mehrerer Unbekannter auf sich. Und kann richtig, richtig Ärger bekommen. Zwei Abgeordnete traf es in diesem Jahr. Der erste ist Yanki Pürsün von der FDP. Der hatte sich tatsächlich erdreistet, seinen Wagen auf einem Behindertenparkplatz in der Tiefgarage des Landtags abzustellen. Aufgeflogen war der Sozialpolitiker(!) durch eine anonyme E-Mail an die FR-Redaktion. Behinderten den Stellplatz wegzuschnappen ist alles andere als ein Kavaliersdelikt. Doch es ist ein Vergehen, das verblasst angesichts des Vorwurfs der Urkundenfälschung, der gegen Marius Weiß von der SPD erhoben wird. Weiß soll seinen Parkausweis für seine im Landtag tätige Ehefrau kopiert haben. Anlass für den Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen, Jürgen Frömmrich, die Forderung nach einer Stellungnahme von der SPD zu erneuern. Die Karwoche ist nachrichtenarm, der politische Gegner bietet keine neue Angriffsfläche.
Pürsün schaffte es als Kandidat bei der Frankfurter Oberbürgermeisterwahl nicht in die Stichwahl. Die politische Konkurrenz erhofft sich mutmaßlich ein ähnlich schlechtes Ergebnis für die SPD bei der Landtagswahl im Herbst. Bleibt zu hoffen, dass der „Fall Marius Weiß“ (Frömmrich) früher geklärt ist.
Keine Bananenrepublik
Die FR fragte nach den Hintergründen für die chronische Parkplatznot im Landtag. Schuld sind die zahlreichen Überhang- und Ausgleichsmandate. Das Parlament ist inzwischen auf 137 Abgeordnete angewachsen. Alle haben Vorrang beim Parken auf dem Gelände. Das wird knapp bei fast 150 Stellplätzen, von denen einige reserviert sind für Elektrofahrzeuge, Behinderte und Eltern mit Kindern. Für Beschäftigte der Kanzlei und der Fraktionen gibt es eingeschränkte Parkberechtigungen, sie müssen an Sitzungstagen außerhalb parken. Und zwar in Parkhäusern in der City, die Kosten trägt der Arbeitgeber. Kein Wunder, dass Wiesbaden zu den Städten mit der dreckigsten Luft in Hessen zählt. Und merkwürdig angesichts der Tatsache, dass alle Beschäftigten über ein Landesticket verfügen. Auch Abgeordnete haben eine Karte, mit der sie kostenlos Bus und Bahn fahren können. Sie zu nutzen, würde die Parkplatzsituation kolossal entspannen.
Jutta Rippegather und Hanning Voigts berichten für die FR aus dem hessischen Landtag. Einmal die Woche geben sie ihren Senf dazu. Alle Kolumnen im Internet unter: fr.de/loewensenf