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Odenwaldschule: Kein Mahnmal für Opfer von sexuellem Missbrauch beantragt

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Von: Pitt von Bebenburg

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Kai Klose, der seit 2019 Gesundheits- und Sozialminister in Hessen ist.
In seinem Sozialministerium ist kein Antrag für die Förderung eines Mahnmals eingegangen: Kai Klose © Renate Hoyer

Das Gedenken an Opfer des sexuellen Missbrauchs an der Odenwaldschule im hessischen Heppenheim ist umstritten.

Heppenheim – Die Frankfurter Erziehungswissenschaftlerin Sabine Andresen mahnt Politik und Gesellschaft, die Opfer des sexuellen Missbrauchs an der Odenwaldschule bei ihren Debatten über ein angemessenes Gedenken nicht alleine zu lassen.

Die Frankfurter Rundschau hatte zuvor von Überlegungen berichtet, mit einem Mahnmal am Tatort im südhessischen Heppenheim an die Betroffenen der sexuellen Gewalt zu erinnern.

„Sichtbares Zeichen der Anerkennung“

Ein Ort mit einem Mahnmal wäre „ein sichtbares Zeichen der Anerkennung, er kann Menschen zum Innehalten bewegen, zu Erkenntnis von Verantwortung führen und zur Kommunikation einladen“, sagte Andresen der FR am Mittwoch (05.01.2022). Sie hatte fünf Jahre lang die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland geleitet.

Wichtig sei der Entstehungsprozess, fügte die Professorin der Goethe-Universität hinzu, „und hier haben Politik und Gesellschaft die Verantwortung, die Gestaltung von Erinnerung und Gedenken gut zu rahmen“. Der Austausch mit Betroffenen sei dafür wesentlich, „auch über Kontroversen“.

Odenwaldschule: Missbrauch über Jahrzehnte

An der Odenwaldschule im Heppenheimer Ortsteil Ober-Hambach waren über Jahrzehnte hinweg mehrere Hundert Kinder und Jugendliche Opfer von pädophilen Sexualtätern geworden, die dort als Lehrkräfte arbeiteten. Der langjährige Schulleiter Gerold Becker gilt als einer der Haupttäter. Nachdem eine öffentliche Debatte über die Missbrauchsfälle im Jahr 2010 begonnen hatte, musste die Internatsschule 2015 Insolvenz anmelden und schließen.

Die aktuelle Debatte wird von dem ehemaligen Schüler Adrian Koerfer vorangetrieben, der den Opferverein „Glasbrechen“ gegründet und jahrelang geleitet hatte. Unterstützung für ein Mahnmal kommt vom Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, dem früheren Bergsträßer Landrat Matthias Wilkes (CDU) und dem Grünen-Landtagsabgeordneten Marcus Bocklet.

„Glasbrechen“ sieht keinen Bedarf

Die heutige „Glasbrechen“-Vorsitzende Sabine Pohle spricht sich dagegen aus. Sie hält ein bestehendes Denkmal des Altschülers Daniel Brenner für ausreichend. Es war 2010 errichtet worden, als das Ausmaß des Missbrauchs noch nicht bekannt war. Das hessische Sozialministerium sieht angesichts dieser Haltung der organisierten Opfer keinen Anlass, tätig zu werden. Man habe sich mit dem Verein „Glasbrechen“ ausgetauscht, der „keine Notwendigkeit für ein weiteres Mahnmal“ sehe und daher „keinen Antrag auf Förderung eines solchen gestellt“ habe, teilte ein Sprecher von Sozialminister Kai Klose (Grüne) am Mittwoch auf Anfrage mit.

Der FR-Kommentar: Zeit für ein Zeichen

Für die Landesregierung sei es wichtig, dass die Betroffenen gehört würden und es einen weiterhin engen und vertrauensvollen Austausch mit ihnen gebe. „Sie sind die Opfer dieser schrecklichen Taten und müssen auch weiterhin im Zentrum jeglicher Überlegungen stehen“, sagte Kloses Sprecher.

Am Geld würde es nicht scheitern

Am Geld würde ein Mahnmal wohl nicht scheitern. „Eine Förderung wäre selbstverständlich möglich“, erläutert der Ministeriumssprecher. Bisher habe aber niemand einen Antrag gestellt. „Antragsberechtigt wären keine Einzelpersonen, sondern insbesondere Vereine und Kommunen.“ Auch mit der Stadt Heppenheim sei gesprochen worden, doch auch sie wolle keinen Antrag stellen. Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) hatte der FR gesagt, er strebe angesichts des Streits zwischen Opfergruppen kein neues Mahnmal an. (Pitt von Bebenburg)

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