Hessen: Die Suche nach dem fairen Preis

Konzept von Verbraucherinitiative geht trotz Rückschlägen auf / Kartoffeln am Start
Spurlos gehen die Folgen des Angriffskriegs auf die Ukraine nicht an der Verbraucherinitiative „Du bist hier der Chef“ vorüber. Die Eier von Zweinutzungshühnern konnten sich im Sommer als neues Produkt nicht etablieren. Die Einführung von Kartoffeln erfordern, neue Wege bei der Verpackung einzuschlagen – die Papierpreise zwingen dazu. Doch bei der Biomilch ist die Absatzmenge trotz Preissteigerung stabil.
„Vertrauen, Transparenz, tolle Qualität“
Die Idee überzeuge selbst in Krisenzeiten, leitet Nicolas Barthelmé daraus ab. Er ist Gründer der in Eltville ansässigen Initiative, bei der Verbraucher:innen selbst festlegen, worauf sie bei einem Produkt Wert legen und zu welchem Preis. „Vertrauen, Transparenz und tolle Qualität sind den Leuten wichtiger als immer das Billigste.“
Im Juli 2020 hatten die blauen Tetrapaks aus 100 Prozent nachwachsenden holzbasierten Rohstoffen in den Kühlregalen diverser Supermärkte Einzug gehalten. Schon zwei Jahre später setzten sich Verbraucher:innen, Milchbäuer:innen, die Molkerei und der Handel wieder zusammen, um angesichts der Kostenexplosionen einen neuen fairen Preis zu bestimmen. Ergebnis der Beratungen: eine Steigerung um 14 Cent. Der Liter Bio-Weidefrischmilch kostet seit September 1,59 Euro. Davon gehen 63 Cent an die Milchbäuer:innen, die unter diesen Bedingungen weiter nach den gewünschten strengen Kriterien produzieren können. Ihr Anteil stieg um 5 Cent.
Der Verein
Die Verbraucherinitiative in Eltville wurde im Juni 2019 gegründet. Sie bringt Verbraucher:innen zusammen, definiert mit ihnen ihre Idealprodukte, sorgt für Transparenz bei Produktion und Preisgestaltung.
An den Produktabstimmungen haben sich bisher 35 950 Menschen beteiligt. Der Verein mit 1152 Mitgliedern unterstützt 17 Betriebe und arbeitet mit fünf Handelspartnern zusammen . jur
Mehr Informationen online unter: https://dubisthierderchef.de
Bei den Hühnern wiederum musste der Verein „Lehrgeld“ zahlen, wie es Barthelmé ausdrückt. Bei den Ansprüchen habe die Latte womöglich zu hoch gelegen. Die Verbraucher:innen hatten bei der Abstimmung für Zweinutzungshühner votiert – das sind Rassen, die sowohl zum Eierlegen als auch zum Schlachten taugen. Der Sechserkarton kostet am Ende knapp vier Euro. „Damit konnten wir sehr schwer Fuß fassen“, sagt der zweite Vorsitzende. Der Begriff Zweinutzungshühner sei zu wenig bekannt, die vielen mobile Ställe im Land seien eine große Konkurrenz. „Wir haben unsere Leute überfordert.“ Bei den Eiern ist jetzt erst mal die Pausetaste gedrückt.
Jetzt stehen Naturjoghurt am Start und Kartoffeln, für die rund 7600 Verbraucherinnen und Verbraucher bereits abgestimmt haben. Für beide Produkte endet das Voting im Juni. Beim Joghurt könnte die Verbraucherinitiative mit der Upländer Bauernmolkerei in Willingen zusammenarbeiten wie schon bei der Milch. Die einzige Biomolkerei in Hessen wird von ihren Bäuerinnen und Bauern in eigener Regie geführt. Die ersten Kartoffeln könnten in der Region Hamburg in den Handel kommen. In Hessen gebe es zwar auch „tolle Höfe“, sagt Barthelmé. Doch im hohen Norden zeichne sich eine schnellere Lösung ab für das Problem, dass eine eigene „Chef“-Verpackung wegen der Papierpreise horrende Summen verschlingen würde. Ein Betrieb sei bereit, den blauen Aufdruck mit auf seine Gebinde zu drucken.
Den Markt transformieren
Was danach kommt, hängt allein von den Verbraucher:innen ab. An Äpfeln gibt es starkes Interesse, an Fleisch ebenfalls. Das ganz große Ziel sei, alle Beteiligten zusammenzubringen, um das Bewusstsein für Qualität, Tierwohl, faire Preise zu schärfen. „Wir wollen den Markt transformieren“, sagt der Gründer, der die Idee aus Frankreich mitgebracht hat. „Viele Verbraucher sind dazu bereit, sie müssen nur mitgenommen werden.“