Hessen: Comeback der Kultur für alle

Hessens Masterplan stößt bei der Opposition auf Skepsis. Grünen-Ministerin Angela Dorn ist begeistert.
Hessen gibt sich einen Masterplan Kultur. Der will sich nicht auf Visionen und Theorie beschränken, sondern auch Lösungen aufzeigen. Entstanden ist er unter Beteiligung Kulturtreibender und Bürger:innen. Die Erfahrungen der Pandemie sind eingeflossen, sagte Hessens Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn (Grüne), am Dienstag im Landtag in ihrer Regierungserklärung. Sie nannte Beispiele dafür, was geplant ist: Eine „Nichtbesucherstudie“, um herauszubekommen, warum Leute nicht ins Theater gehen, ins Kino oder kein Instrument lernen. Ein Pool soll Künstler:innen an Schulen, Kitas oder Vereine vermitteln. Museen und Gedenkstätten sollen sich digital breiter aufstellen und dabei gegenseitig unterstützen. Ein Online-Portal soll die kulturellen Schätze Hessens für jeden und für jede verfügbar machen. Der Plan sieht eine bessere Absicherung von Kultureinrichtungen und -treibenden vor. Sie sollen kooperieren statt um Zuschüsse zu konkurrieren. Die Förderverfahren werden einfacher. Einmalig sei das Bündeln der Herausforderungen der Pandemie mit den aktuellen Fragen der Kulturpolitik, sagte die Ministerin. Ein Schwerpunkt werde die kulturelle Bildung sein. Der Plan sei mit 6,7 Millionen Euro unterfüttert, die für die zeitnahe Umsetzung im Doppelhaushalt 2023/2024 dafür bereitstehen. SPD-Fachsprecherin Daniela Sommer begrüßte, dass die Ministerin sich den Slogan „Kultur für alle“ des Frankfurter SPD-Politikers Hilmar Hoffmann zu Eigen macht. Das Ansinnen des Masterplans sei gut, Teilhabe heiße aber auch bezahlbar für Familien zu sein. Der Masterplan biete wenig Anlass für Kritik. Projekte zur kulturellen Bildung etwa seien ein guter Ansatz, sagte Sommer. Die SPD teile mit den Grünen die Vorstellung einer idealen Kulturlandschaft, die für alle zugänglich ist. Sie bezweifele aber, dass die Landesregierung in den wenigen Monaten bis zur Landtagwahl am 8. Oktober noch viel Neues umsetzen könne. Es bleibe bei „unverbindlichen Absichtserklärungen“.
Auch die Linke begrüßte den Wunsch nach einer Kultur für alle, betonte Fraktionssprecherin Elisabeth Kula und die Idee, dass Kultur die Grundlage für friedliches Zusammenleben liefern kann. „Das Leitbild ist richtig, doch mit der Realität klafft es leider auseinander.“ Im Masterplan sei nichts von Klubkultur zu finden, nichts von Subkultur oder Kinos. „Der Fokus liegt auf öffentlichen Einrichtungen der Hochkultur.“ Es fehlten Angebote für Menschen, die sich den Eintritt zu Vorstellungen nicht leisten können. „So droht Kultur in Hessen zukünftig auch ein Safe-Space des Bildungsbürgertums zu bleiben.“
Ein vernichtendes Urteil fällte Stefan Naas, kulturpolitischer Sprecher der FDP. Die bessere Finanzierung der Musikschulen sei überfällig, der einfacherer Zugang zur Kulturförderung wichtig. Er gehe aber davon aus, dass nach dem 8. Oktober die Kulturpolitik in Hessen wieder „eine deutlich sozialdemokratische Handschrift tragen wird“. Naas forderte „keine warmen Worte, sondern Taten“, und Entscheidungen nach fünf Jahren Nichtstun im Ministerium. Dorns Vorgänger, der jetzige Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), habe schon 2014 einen Masterplan angekündigt. „Konkrete Maßnahmen“ seien in dem Papier nicht zu finden. Auch keine Definition, was mit „Vernetzung“ oder „Stärkung“ gemeint sei. „Frau Ministerin, das ist nett, aber kein kulturpolitisches Programm“, sagte Naas und sprach von „Geschwafel“, von Formulierungen, die „beliebig und aussagelos“ seien. Hessen haben keine große Landesausstellung vorzuweisen, die Erweiterung des Depots des Landesmuseums Darmstadt lasse auf sich warten, im Staatstheater herrsche ein Sanierungsstau. „Werden Sie konkret, priorisieren Sie, geben Sie einen Zeitplan vor“, forderte Naas. „Sie wollen nur moderieren, aber sie müssen auch Verantwortung übernehmen.“