Hessen: Brisante Fragen zum Mordfall Walter Lübcke

Der Lübcke-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags befragt zum Abschluss seiner Arbeit die ehemaligen Innenminister Peter Beuth und Volker Bouffier.
Es entspricht der üblichen Dramaturgie von Untersuchungsausschüssen, dass die prominentesten Zeug:innen ganz am Schluss aussagen. Wenn die Mitarbeiter:innen von Ämtern und Behörden ausgesagt haben, wenn die sonstigen Beteiligten angehört wurden, kommen die politischen Schwergewichte an die Reihe. Ende Januar saß schon Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) in seiner Eigenschaft als früherer hessischer Innenminister auf dem Zeugenstuhl, am Donnerstag, 23. Februar, werden es sein Vorgänger und sein Nachfolger in diesem Amt sein.
Die voraussichtlich letzte öffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Mordfall Walter Lübcke verspricht noch einmal spannend zu werden. Als Zeugen sind Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) und der ehemalige Innenminister und Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) geladen – der in dieser Funktion auch lange Zeit Beuths Chef war. Beide werden den Abgeordneten, die seit Juni 2020 Behördenfehler im Vorfeld des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke aufklären, jeweils über Stunden Rede und Antwort stehen. Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 vom Kasseler Neonazi Stephan Ernst vor seinem Haus in Wolfhagen-Istha erschossen worden.
Hessen: Dass der Verfassungsschutz versagt hat, ist bereits gut belegt
Dass im Vorfeld besonders im hessischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) massive Fehler passiert sind, hat der Ausschuss bereits klar herausgearbeitet. Obwohl der damalige Präsident des LfV, Alexander Eisvogel, den späteren Lübcke-Mörder Stephan Ernst persönlich noch als „brandgefährlich“ eingestuft hatte, verschwand der mehrfach mit schweren Gewalttaten aufgefallene Neonazi 2015 vom Radar des Geheimdienstes. Seine Akte war in einem fragwürdigen Schnellverfahren ohne ernsthafte Prüfung aus der aktiven Bearbeitung genommen worden.
Der Ausschuss
Der Untersuchungsausschuss zum Mordfall Walter Lübcke tagt am Donnerstag, 23. Februar, wohl zum letzten Mal öffentlich. Ab 9.30 Uhr befragen die Abgeordneten den Hessischen Innenminister Peter Beuth (CDU), ab 13 Uhr dann den früheren Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU).
Im Anschluss dürfte die Beweisaufnahme geschlossen werden, dann wird bis zum Sommer der Bericht des Gremiums erarbeitet. han
Und das, obwohl Ernst Kontakte zum militanten Neonazinetzwerk „Blood and Honour“ hatte, aus dem der 2011 aufgeflogene „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) unterstützt worden war. Und obwohl er noch 2011, bereits angeblich „abgekühlt“, an einer Sonnenwendfeier beim Neonazi-Funktionär Thorsten Heise teilgenommen hatte. Auf einem Foto von der Veranstaltung hatte niemand im LfV Ernst erkannt.
Hessen: Bouffier und Beuth stehen beide am Ende ihrer politischen Karriere
Zudem hat sich der Ausschuss auch mit einem von Boris Rhein (CDU) nach Bekanntwerden des NSU in Auftrag gegebenen internen Aktenprüfbericht befasst, der die Beobachtung der rechten Szene durch das LfV seit den 1990er-Jahren untersucht hatte und zu einem vernichtenden Urteil gekommen war, was die behördliche Einschätzung und Analyse der Szene anging.
Bouffier und Beuth, die abgesehen von einigen Jahren unter Boris Rhein seit 1999 das Amt des hessischen Innenministers bekleideten, werden zu diesen Fehlern Stellung nehmen müssen. Da Bouffier sich im Ruhestand befindet und Beuth ebenfalls die Landespolitik verlassen will, ist nicht ausgeschlossen, dass sie offen antworten werden. (Hanning Voigts)