Hessen: Ärztestreik an den großen Kliniken

Rund 50 kommunale Krankenhäuser sind vom Arbeitskampf betroffen. Eine Umfrage ergab „alarmierende Zustände“ auf den Stationen.
Ärztinnen und Ärzte aus rund 50 kommunalen Krankenhäusern in Hessen sind dazu aufgerufen, an diesem Donnerstag, 31. März, die Arbeit niederzulegen. Schwerpunkte des Warnstreiks bilden die größten Häuser; darunter das Klinikum Darmstadt, die Helios Horst Schmidt-Kliniken Wiesbaden, das Sana Klinikum Offenbach, das Klinikum Frankfurt-Höchst, das Klinikum Kassel, das Klinikum Fulda, das Klinikum Hanau, die Hochtaunus-Kliniken, das Klinikum Bad Hersfeld, das Krankenhaus Rüsselsheim, sowie viele weitere Einrichtungen, teilte die Ärztegewerkschaft Marburger Bund mit. Patientinnen und Patienten sollen nicht zu Schaden kommen: „Der Marburger Bund wird den vom Streik betroffenen Krankenhäusern Notdienstvereinbarungen anbieten, um eine notfallmäßige Versorgung sicherzustellen“, informierte der Landesverband am Mittwoch.
„Die kommunalen Arbeitgeber lassen uns keine andere Wahl mehr“, sagte Landesvorsitzender Christian Schwark. Nach vier ergebnislosen Runden mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) seien die Verhandlungen an einem toten Punkt. Deswegen habe der Marburger Bund auch die rund 5000 betroffenen Ärztinnen und Ärzte in Hessen zu der bundesweiten eintägigen Aktion aufgerufen. Die zentrale Kundgebung auf dem Römerberg in Frankfurt beginnt um 13 Uhr.
Die Forderungen
Der Marburger Bund ist der Verband aller angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. .
Deutschlands einzige Ärztegewerkschaft fordert klare Grenzen für Bereitschaftsdienste, eine Limitierung der Rufbereitschaft, einen gesicherten Anspruch auf freie Wochenenden und mehr Planungssicherheit bei den Diensten. Die Gehälter sollen um 5,5 Prozent steigen. jur
Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber nannte den Streikaufruf „völlig überzogen“. Seit mehr als fünf Monaten versuche die VKA eine Tarifeinigung herbeizuführen, sagte Wolfgang Heyl. Sie habe Mitte Dezember ein Angebot abgegeben und jetzt weitere Vorschläge zu den Themen Ruf- und Bereitschaftsdienste sowie freie Wochenenden vorgelegt. „Allerdings ist es nun am Marburger Bund, sich endlich auch einen Schritt auf uns zuzubewegen und von den völlig unrealistischen Forderungen abzurücken.“ Sie würden die kommunalen Kliniken maßlos überfordern. „An kleinen Häusern und in einzelnen Abteilungen droht die Gefahr, die Daseinsvorsorge nicht mehr sicherstellen zu können.“ Dies sei auch nicht im Sinne der Ärztinnen und Ärzte. „Auch der aktuelle Arbeitskampf geht zu Lasten der gesamten Bevölkerung.“
Schon jetzt ist die Situation mancherorts problematisch. Und es könnte noch schlimmer kommen. Das legt das Ergebnis einer Mitgliederumfrage nah, die der Marburger Bund Hessen Ende vergangenen Jahres initiiert hatte. Ein Drittel der Befragten wollte nicht mehr im Krankenhaus arbeiten. Etwas mehr als die Hälfte gab an, dass 2021 an ihrer Klinik Stellen abgebaut wurden, beziehungsweise dies geplant war. Rund 80 Prozent sagten, die Zahl der Ärztinnen und Ärzte reiche nicht aus, um eine gute Patientenversorgung zu gewährleisten. Der Landesvorsitzende Schwank sagte dazu: „Alarmierende Zustände. Und es ist keine Änderung in Sicht.“
Denn auch die Kliniken stehen mit dem Rücken an der Wand. Dieser Tage hatte der Verbund der öffentlich getragenen Häuser in Hessen auf deren wirtschaftliche Probleme hingewiesen. Die Finanzierungslücken nähmen „dramatisch zu“, warnte Geschäftsführer Reinhard Schaffert. Die Krankenhäuser in Hessen müssten mehr als 35 Prozent der Investitionskosten aus eigenen Mitteln finanzieren, die Pflegepersonalkosten trotz gegenteiliger Versprechen der Politik vorfinanzieren und die steigenden Energiekosten schultern, während die Corona-Hilfen am 19. März ausgelaufen seien. „Die Politik kann nicht einerseits die Einnahmen der Krankenhäuser festlegen und begrenzen und andererseits bei den Kosten dem Markt freien Lauf lassen.“