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Die Qual der Wahl

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Von: Jutta Rippegather, Hanning Voigts

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Die Wahl findet in der Kabine statt, der Wahlkampf beginnt schon wesentlich früher. Foto: Michael Schick
Die Wahl findet in der Kabine statt, der Wahlkampf beginnt schon wesentlich früher. Foto: Michael Schick © Michael Schick

So langsam beginnt in Hessen der Landtagswahlkampf. Der Ton wird schriller, die Parteien nervöser. Und ein CDU-Politiker redet sich schon mal in den Wutbürger-Modus. Die Kolumne.

Spüren Sie das auch? Merken Sie, wie die Nervosität langsam steigt? Nein? Vielleicht liegt es daran, dass Sie nicht so oft im Hessischen Landtag unterwegs sind. Während andere Menschen bei regnerischem Maiwetter noch auf den Beginn des Sommers warten, wird im Wiesbadener Stadtschloss schon die politische Herbstmode rausgelegt. Will sagen: So langsam kann man nicht mehr leugnen, dass wir in einem Wahljahr sind und am 8. Oktober ein neues Landesparlament gewählt wird.

Noch vor einem halben Jahr war aus allen Parteien zu hören, der Wahlkampf werde wohl erst nach den hessischen Sommerferien, also Ende August, richtig losgehen. Kurz und knackig werde der. Aber schon jetzt merkt man in allen Debatten und in fast jeder Pressemitteilung: Der Ton wird schärfer. Es geht los. Bevor wir darüber sprechen, kurz die Ausnahme von der Regel: SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser scheint noch die Ruhe weg zu haben. „Die Landtagswahl im Oktober ist für viele Menschen noch weit weg – das nehme ich auch so wahr“, sagte die Bundesinnenministerin kürzlich dem „Hanauer Anzeiger“. Wobei man sagen muss: Frau Faeser hat in Berlin wirklich einen aufreibenden Job. Verglichen damit ist das politische Wiesbaden wahrscheinlich echt noch im Schnarchmodus.

Hessen: CDU-Generalsekretär Manfred Pentz kämpft für die Normfamilie

Womit wir bei Manfred Pentz wären. Pentz, Generalsekretär der hessischen CDU und so römisch-katholisch, wie sich das in seiner Position gehört, war diese Woche im Wutbürger-Modus. Fassungslos sei er, ließ er über den Twitter-Kanal der Hessen-CDU wissen. Was war passiert? Eine katholische Kita in Amöneburg bei Marburg hatte den Eltern mitgeteilt, dass dieses Jahr zum Muttertag keine Geschenke mit den Kindern gebastelt würden. Da würden oft sehr stereotype Geschenke angefertigt, und in Zeiten der Diversität wolle man niemanden ausschließen.

Der Rest der Republik weiß das nur, weil der CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban wegen des Elternbriefs den Untergang des Abendlandes gekommen sah und die Kita mit Adresse im Internet dem rechten Hetzmob zum Fraß vorwarf. Das muss Manfred Pentz gefallen haben. „Jetzt schon Wokeness in katholischen Kitas?“ polterte er. Es gleiche einem „Denkverbot“, wenn „die Konstellation Vater-Mutter-Kind nicht mehr die Norm in heutigen Familien ist“.

Hessen: Die Nervosität ist teils schon relativ groß

Das ist natürlich, man muss es so deutlich sagen, erst einmal ausgemachter Blödsinn. Niemand verhängt Denkverbote, weil er mit Kitakindern nicht bastelt. Und keiner Familie wird etwas weggenommen, wenn es auch eine mit zwei Müttern gibt. Aber so funktioniert eben Kulturkampf von rechts: Sich zum Sprecher einer angeblich „normalen“ Mehrheit aufschwingen, die zum Opfer linksgrüner Verbotsfantasien zu werden droht. Man kann nur hoffen, dass der Wahlkampf nicht so klingen wird.

In zwei Fraktionen ist die Nervosität übrigens schon jetzt besonders groß, weil die im Oktober aus dem Landtag fliegen könnten. Es handelt sich um FDP und Linkspartei. Während die Linken noch verhältnismäßig ruhig wirken, obwohl sie in den aktuellen Umfragen furchtbar dastehen, hat man bei den Freidemokraten schon das Gefühl, dass die Wahl ihre Schatten vorauswirft. FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas beklagt etwa einen „Kampf gegen das Auto“ in der Verkehrspolitik und wirft der CDU vor, sich vom grünen Koalitionspartner einwickeln zu lassen. Langweilig wird der hessische Wahlkampf auf jeden Fall nicht. (Jutta Rippegather und Hanning Voigts)

Jutta Rippegather und Hanning Voigts berichten für die FR aus dem hessischen Landtag. Einmal die Woche geben sie ihren Senf dazu. Alle Kolumnen im Internet unter: fr.de/loewensenf

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