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Die Hochschule Geisenheim erforscht die Photovoltaik im Weinberg

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Von: Madeleine Reckmann

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Die Module können von Ost nach West gekippt werden, um die Rebzeilen besser zu schützen und die Stromausbeute zu maximieren.
Die Module können von Ost nach West gekippt werden, um die Rebzeilen besser zu schützen und die Stromausbeute zu maximieren. © Dennis Jouaux

Mit der ersten Agri-PV-Anlage im Rebenanbau möchte die Wissenschaft herausfinden, wie sich die Technik auf Weinqualität und Pflanzen auswirkt - eine Chance für die Energiewende.

Im Obst- und Gemüseanbau und auf Wiesen hat man Photovoltaikanlagen schon gesehen. Die Sonnenenergie-Kraftwerke ermöglichen der Landwirtschaft eine doppelte Nutzung: Neben Beerenobst, Kartoffeln oder Heu kann Strom auf derselben Fläche geerntet werden. Im Weinanbau gab es die Agri-Photovoltaik noch nicht. Bis jetzt.

Riesling-Rebstöcke wachsen unter den Modulen

Die Hochschule Geisenheim baut dieser Tage die erste PV-Anlage im Weinbau auf. Ende März soll auf einer Fläche von 1650 Quadratmetern über im Jahr 2021 gepflanzten Riesling-Weinstöcken Sonnenstrom erzeugt werden. „Agri-PV sorgt für eine Win-win-Situation“, sagt Claudia Kammann, Professorin für Klimafolgenforschung an Sonderkulturen, „die doppelte Flächennutzung erwirtschaftet durchschnittlich einen Ertrag von 160 Prozent.“ Bei bestimmten Kulturen, die lieber Schatten mögen wie etwa Himbeeren, Kartoffeln, Blattgemüse oder Ackerfutter, liege der Ertrag sogar höher.

Pflanzen könnten Widerstandskraft gegen Klimawandel erhöhen

Verträgt auch der Wein ein ständiges Dach über dem Kopf? Das möchte die Hochschule Geisenheim, die das Forschungsprojekt mit dem Fraunhofer Institut aufgesetzt hat, in jahrelanger Beobachtung herausbekommen. Geld für das Projekt kommt vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Land Hessen.

„Nach unserer Arbeitshypothese erwarten wir, dass die PV-Anlage die Widerstandskraft gegen den Klimawandel erhöht“, sagt Kammann der FR. Der durch frühen Austrieb und heiße Sommer beschleunigten Reifung könne die Beschattung etwas entgegensetzen. Denn die für den Riesling typische frisch-fruchtige Säure sei in den vergangenen Hitzesommern in der Traube extrem schnell abgebaut worden, so dass der Wein habe nachgesäuert werden müssen. Außerdem möchten die Forscher:innen herausfinden, ob die PV-Module etwa bei Hagel die Reben schützen und die Gefahr von Spätfrösten und Sonnenbrand verringern, das Bodenwasser langsamer verdunsten lassen und die Pflanzen weniger anfällig für den falschen Mehltau machten, so dass Pflanzenschutzmittel eingespart werden können. Zum Vergleich stehen unter den PV-Modulen Rebstöcke im ökologischen sowie im konventionellen Anbau und noch einmal beide Varianten ohne PV-Anlage.

PV auf vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen deckt gesamten Strombedarf

Agri-Photovoltaik könnte den Initiatoren zufolge helfen, das Ziel der Bundesregierung, bis 2045 treibhausgasneutral zu sein, zu erreichen. Photovoltaikanlagen auf vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen könnten den gesamten Strombedarf in Deutschland decken. Nun gelte es herauszufinden, auf welchen Kulturen die Vorteile einer Agri-PV-Anlage überwiegen, so Kammann. Die Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit, die Ökosystem-Funktionen und anderes müssten auch untersucht werden.

Energie wird in einen mobilen Speicher eingespeist

Die transparenten und beidseitig verwendbaren Module wurden auf dem Geisenheimer Versuchsfeld in Ost-West-Richtung angebracht und lassen sich kippen, um die Stromausbeute zu maximieren. Erwartet wird ein Stromertrag von 96 Kilowatt-Peak. Die Energie, die zunächst in einen mobilen Speicher eingespeist werden soll, soll später auf der Versuchsfläche landwirtschaftliche Spezialcomputer für die Unterstockbearbeitung antreiben.

Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes korrigieren

Die begleitende Arbeitsgruppe zu dem Forschungsprojekt sieht einen dringenden Korrekturbedarf für die neuste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Um auch kleine Winzer und Landwirte nicht zu benachteiligen, sollten auch kleine Anlagen auskömmlich gefördert werden und nicht nur die, für die eine Ausschreibung erforderlich ist. Wichtig sei auch, die Genehmigungszeiten zu reduzieren. In Geisenheim dauerte es der Arbeitsgruppe zufolge zweieinhalb Jahre, bis eine Genehmigung vorlag.

Die PV-Module der Anlage über den Reben sind semitransparent und lassen einen Teil des Lichts durch.
Die PV-Module der Anlage über den Reben sind semitransparent und lassen einen Teil des Lichts durch. © Dirk Klinner

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