Die Hessen-CDU sucht den Weg in die Zukunft
Der Union droht auch in Hessen 2023 der Machtverlust. Es gibt Spekulationen über Bouffiers Nachfolge.
Die verlorene Bundestagswahl lastet schwer auf der machtverwöhnten hessischen CDU. Seit fast 23 Jahren regiert sie das Bundesland, Ende Oktober aber ergab die erste Hessen-Umfrage nach der Bundestagswahl, dass nur noch 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler für sie stimmen würden. Das wäre Platz zwei, gleichauf mit den Grünen, aber deutlich hinter der SPD. Ein Donnerschlag für die Hessen-CDU.
Seit 1995 war sie bei jeder hessischen Landtagswahl stärkste Kraft geworden. Bei der Wahl 2018 rutschte sie zwar erstmals seit 1966 unter die 30-Prozent-Marke. Doch lag sie mit 27 Prozent immerhin noch deutlich auf dem ersten Platz, mehr als sieben Punkte vor Grünen und SPD.
Die Bundestagswahl hat der hessischen Union überdeutlich gezeigt: Auch ihr kann bei der nächsten Landtagswahl blühen, was die Bundespartei derzeit erlebt – Machtverlust und Unklarheit über die künftige Ausrichtung. Ein Glück für die hessischen Christdemokraten: Gewählt wird in Hessen erst in zwei Jahren.
Volker Bouffier, der im Dezember 70 Jahre alt wird, steht seit 2010 an der Spitze der hessischen CDU und der Landesregierung. Er hat bisher offengelassen, ob er 2023 erneut antreten oder vorher einen personellen Übergang organisieren will. Genauso unklar ist, wer Bouffier nachfolgen könnte.
Finanzminister Michael Boddenberg, Innenminister Peter Beuth und Fraktionschefin Ines Claus gelten als denkbare Kandidat:innen. Alle sind aber im Land wenig bekannt und bräuchten vor der Wahl Zeit, das zu ändern. Schließlich dürfte ihnen in SPD-Landeschefin Nancy Faeser und dem grünen Vizeministerpräsidenten Tarek Al-Wazir starke Konkurrenz gegenüberstehen.
Dann gibt es noch Angela Merkels Kanzleramtsminister Helge Braun. Der Arzt aus Gießen ist bisher nicht in der Landespolitik aufgefallen, bringt aber langjährige Regierungserfahrung aus Berlin mit und könnte damit zum Ministerpräsidentenkandidaten für die Wiesbadener Staatskanzlei werden.
Derzeit bemüht sich Braun um ein anderes Amt: Er will CDU-Bundesvorsitzender werden und wurde von seinem Kreisverband vorgeschlagen. Im Rennen gegen Friedrich Merz und Norbert Röttgen gilt Merkels Strippenzieher eher als Außenseiter. Chancen für eine Karriere in Hessen dürfte Braun aber nur haben, wenn er bei der Mitgliederbefragung der Bundes-CDU ein ordentliches Ergebnis einfährt.
Braun wirbt für Hessen-Stil
In einem Bewerbungsbrief, den er an alle Kreisvorsitzenden und Kreisgeschäftsstellen der CDU in Deutschland geschickt hatte, nannte Braun den Stil der hessischen Union als Vorbild für die Bundespartei. „In meinem Kreisverband und auch in der hessischen CDU ist die Haltung berühmt, nämlich der Zusammenhalt untereinander“, schrieb der Politiker, der an der Spitze des Gießener Kreis- und des mittelhessischen Bezirksverbands steht. „Damit haben wir viele Herausforderungen gemeistert und arbeiten seit Jahrzehnten ohne Streit freundschaftlich zusammen. So macht Politik Spaß. Diesen Geist möchte ich gerne auch in unseren Gremien auf Bundesebene entwickeln.“
Die Junge Union dringt derweil darauf, bei der Arbeit am Landtagswahlprogramm möglichst viele Menschen zu beteiligen. Am Wochenende beschloss der Landesausschuss der Nachwuchsorganisation, sie wolle „gemeinsam mit der CDU Hessen eine Zukunftskonferenz durchführen und unser Bild von Hessen 2035 bis zur nächsten Landtagswahl zeichnen“. Die CDU müsse sich „erneut als Volkspartei profilieren und die Herausforderungen der Zukunft anpacken“. Dabei wolle man „alle Bevölkerungsgruppen innerhalb und außerhalb der Parteigrenzen in die Problemlösung miteinbeziehen“.