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Dannenröder Forst: Platz zum Ausprobieren und Regenerieren

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Von: Jutta Rippegather

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Fotos vom Widerstand im Dannenröder Forst sind in der Ausstellung im Klimacamp zu sehen.
Fotos vom Widerstand im Dannenröder Forst sind in der Ausstellung im Klimacamp zu sehen. © Privat/Zeder

Es ist ruhiger geworden um den Dannröder Forst, aber verschwunden sind die Aktivist:innen nicht. Das Klimacamp in Dannenrod versteht sich heute als Ort achtsamen Zusammenlebens.

Es ist ruhig geworden in Dannenrod, wo vor einem Jahr der Widerstand gegen den Ausbau der Autobahn 49 seinen Höhepunkt erreichte. Ein ständiges Kommen und Gehen herrschte seinerzeit in dem dörflichen Ortsteil des mittelhessischen Homberg/Ohm. Die Leute in der Küche für alle (Küfa) hantierten mit riesigen Töpfen, um die vielen Menschen satt zu bekommen. Das Zelt ist längst abgebaut, die Küche befindet sich jetzt in einem festen Gebäude. Die Töpfe sind kleiner geworden. Das Gelände wirkt aufgeräumter.

Aus dem Provisorium ist eine feste Einrichtung geworden: Das Klimacamp in Dannenrod mit dem „Gäst_innenhaus Jakob“ als Nukleus. Ein im Sommer gegründeter Verein hat den lange als Gasthof genutzten Hof gemietet. Im Moment läuft eine Spendenkampagne mit dem Ziel, das Gebäude zu kaufen. „Transformation, Revolution, Klimagerechtigkeit – alles muss Mensch selber machen“, lautet das Motto.

Der junge Mann mit den Locken nennt sich Zeder. Er sitzt auf einer großen Couch unter einer Plane im Hof, nippt an seinem Kaffee mit einem Schuss Reisdrink. Zeder klärt die Besucherin auf, wie es zu dem Wort Gäst_innenhaus kam. Jede und jede sind hier willkommen, sagt er. Das Haus steht für alle offen als Ort der politischen Auseinandersetzung und der Regeneration. Die offizielle deutsche Sprache kennt dafür kein Wort. Also gilt es, eins zu kreieren.

Film zum Protest

„Barrikade “ heißt der Dokumentarfilm von David Klammer über den Widerstand gegen der Ausbau der Autobahn A49 in Mittelhessen.

Deutschlandpremiere ist am 28. Oktober bei den Internationalen Hofer Filmtagen. Er ist dort für den Granit-Preis nominiert, den besten abendfüllenden Dokumentarfilm aus dem deutschsprachigen Raum.

Beim Kasseler DOKfest-Filmfestival steht eine Aufführung am 21. November um 14.30 Uhr auf dem Programm. Nominiert ist der Film dort für den Preis Goldener Herkules.

Für den Fotojournalisten aus Köln ist es der erste Film. Klammer war für diese Arbeit mehrfach im Protestcamp im Dannenröder Forst. Ist unter anderem auf Baumhäuser geklettert, um zu dokumentieren, wie sie geräumt werden. Für seine „Bergung“ durch die Polizei erhielt er einen Kostenbescheid in Höhe von 1236 Euro. Dagegen klagt Klammer derzeit vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden. jur

Mehr zum Film und zur Klage unter www.barrikade.org

Neu denken, neu schöpfen, neue Begriffe finden ist hier Konzept. Hierarchiearm und achtsam zusammenleben, den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich halten. Wissen weitergeben. Teilen statt besitzen. Zeders politische Bücher stehen jetzt mit vielen anderen in der Gemeinschaftsbibliothek. Er freut sich, dass er endlich einen geeigneten Platz für sie gefunden hat: „Jetzt lesen sie auch andere und ich kann mit jemandem darüber diskutieren.“ Wo einst der Ausschank stattfand, liegen nun Flyer und Infomaterial. In dem Raum daneben gibt es eine Ausstellung mit Fotos aus dem Widerstand. Auch Zeder hat während der Räumung Bilder gemacht, die er hier zeigt.

Der große Tisch in einem der Scheunenräume bietet ausreichend Platz zum Diskutieren. Etwa über Kapitalismus oder Patriarchat und die daraus hervorgehenden Strukturen. Der tägliche Fixpunkt ist das Abendessen – wie bei einer Familie. Bis dahin sind es noch ein paar Stunden. Jetzt ist früher Nachmittag. Ein paar Leute haben sich oben in die Zimmer des früheren Gasthofs zurückgezogen, um zu studieren oder sich auszuruhen. Zwei Frauen unterhalten sich auf dem Spielplatz und schauen einem spielenden Kind zu. In der Küche diskutieren ein Mann und eine Frau Organisatorisches. Es gibt so viel zu tun, sagt Zeder. Etwa in der Werkstatt, die als Repaircafé dient. Oder auf dem Heuboden, dem großen Schlafsaal. Im Moment wohnen dort Katzenbabys. Vielleicht fährt er aber auch bald nach Lützerath, um sich dem Widerstand der vom Tagebau bedrohten Dörfer anzuschließen.

Ein paar Schritte weiter Richtung Bauzaun, hinter dem sich die gerodete Trasse ausbreitet: Auf einer der einstigen Campwiesen ist der „Jungle Naturgarten“ entstanden – ein solidarisches Gartenprojekt zum Ausprobieren. Die Erntesaison endet bald. Noch ein paar Kürbisse, Kräuter – viel mehr ist nicht übrig geblieben. Auf einer anderen Wiese stehen einige Wohnmobile und trotz der kühlen Temperaturen sogar zwei Zelte. Vier Leute stehen an einem Gerüst und verteilen Lehm auf einem Stein – ein rollender Pizzaofen soll entstehen. Dessen Wärme kann anschließend zum Brotbacken genutzt werden. Der Lehm kommt aus dem kleinen Teich nebenan. Ein Wasserreservoir für die trockene Zeit im nächsten Jahr.

Mehr Informationen online unter https://gaest-innenhaus.org

Das „Gäst_innenhaus Jakob“ ist das Zentrum des Camps.
Das „Gäst_innenhaus Jakob“ ist das Zentrum des Camps. © Privat

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