Corona in Hessen: Lernen für die nächste Pandemie

Die Corona-Bilanz fällt gemischt aus. Unumstritten ist, dass das Kooperationsmodell sich in Hessen bewährt hat.
Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) spricht von einer „Zäsur“. Nach mehr als drei Jahren Corona-Pandemie läuft am Freitag, 7. April, Paragraf 28b des Bundesinfektionsschutzgesetzes aus. Dann ist auch die offizielle Maskenpflicht in medizinischen Einrichtungen Vergangenheit. Manche Kliniken, Praxen oder Heime werden sie dennoch beibehalten. Das ermöglicht ihnen das Hausrecht.
Gut funktioniert
Anlass für die Landespolitik sowie die betroffenen Akteurinnen und Akteure, Bilanz zu ziehen. Tenor: Die Versorgung der Kranken hat trotz der schwierigen Bedingungen zu jeder Zeit gut funktioniert. Was daran liegt, dass das Gesundheitswesen zusammengerückt ist. Die Regeln zum Schutz der Bevölkerung haben viele Menschenleben gerettet – manche haben sich im Nachhinein auch als sinnlos herausgestellt. „Wir sollten das ehrlich evaluieren, aber in der Beurteilung auch nie vergessen, wie wenig verlässliche Informationen zum Zeitpunkt vieler Entscheidungen zu Beginn der Pandemie vorhanden waren“, sagt Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt.
Neues Kapitel
Auch für Peter Tinnemann, Leiter des Gesundheitsamts Frankfurt, beginnt ein neues Kapital. „Nun gilt es, die ergriffenen Maßnahmen wissenschaftlich aufzuarbeiten, um herauszufinden, welche Maßnahmen wir bei kommenden Pandemien wieder umsetzen sollten und welche verzichtbar sind, um Leben zu retten.“
Unstrittig ist, dass der intensive Austausch im „Planstab stationäre Versorgung“ sich bewährt hat. „Ein Erfolgsmodell über die Pandemie hinaus“, urteilt Klose. Krankenhäuser, niedergelassene Ärzteschaft und das Ministerium als oberste Gesundheitsbehörde hätten in dem Gremium beispielhaft zusammengearbeitet. Player, die sich sonst in Konkurrenz zueinander befänden, hätten ihre Interessen hintan gestellt. Zum gleichen Schluss kommt Jürgen Graf, Chef der Frankfurter Uniklinik und Leiter des Planstabs, den das Ministerium im März 2020 ins Leben gerufen hatte. „Es war beeindruckend zu sehen, dass die unterschiedlichen Kliniken an einem Strang gezogen haben, um jederzeit die Patientenversorgung aufrecht zu erhalten.“
Impfen
Zwiespältig fällt das Fazit von Frank Dastych aus, Vertreter der niedergelassenen Ärzteschaft. „Auf der einen Seite steht die beeindruckende Leistung der ambulanten Versorgung, wenn es um die Behandlung von Erkrankten, das Testen und Impfen geht.“ Das von Minister Klose gewünschte Unterhaken aller Verantwortlichen habe tatsächlich stattgefunden – da müsse man den Minister „ausdrücklich loben“. Negativ bleibe so manche Entscheidung aus Berlin in Erinnerung, so der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen; „das oft erratische und auch zu oft von fehlenden ethischen Werten geleitete Vorgehen der Politik auf Bundesebene“.
Ciesek erinnert daran, dass am Anfang Entscheidungen auf einer extrem dünnen Wissensbasis hätten getroffen werden müssen. „Um dafür eine solidere Grundlage zu schaffen, war es erforderlich, gezielt zu relevanten Fragen zu forschen.“ Politik und Wissenschaft hätten dafür gut zusammengearbeitet. So habe das Sozialministerium beim Institut für Medizinische Virologie mehrere Studien in Kitas und Schulen in Auftrag gegeben. „So konnten wesentliche Erkenntnisse gewonnen werden, die eine bessere Basis für die weiteren Entscheidungen in der Pandemie geliefert haben.“
Impfen
Nach Einschätzung Kloses ist das Schlimmste überwunden: Die aktuelle Lage stimme ihn sehr optimistisch, dass Corona sich inzwischen zu einem endemischen Virus entwickelt habe. Seine Prognose: „Sars-CoV-2 wird uns weiter begleiten, stellt aber ein beherrschbares Risiko dar.“ Zeit für Entwarnung sieht auch Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), fordert aber gleichzeitig, die Pandemieerfahrungen in das Infektionsschutzgesetz einzuarbeiten. „Es ist nunmehr rechtlich geboten und infektiologisch sehr gut vertretbar, auch die letzten Beschränkungen aufzuheben und zur Normalität zurückzukehren“, sagt er.