Corona in Hessen: Besuchsverbote in den Kliniken bleiben

Angesichts der hohen Inzidenzen halten die Krankenhäuser die alten Regeln bei. Auch an der Frankfurter Uniklinik müssen Operationen verschoben werden, weil Corona die Personaldecke ausdünnt.
An diesem Samstag, 2. April, tritt das neue Infektionsschutzgesetz in Kraft. Es sieht zahlreiche Corona-Lockerungen vor. Doch mancherorts bleibt alles beim Alten. Etwa in den Krankenhäusern. Viele gehen über den im Gesetz verankerten sogenannten Basisschutz hinaus und verlängern das Besuchsverbot. So verfährt etwa die Frankfurter Universitätsklinik, die kommunale Varisano-Gruppe mit ihren Häusern in Höchst und im Main-Taunus. Die Helios-Holding hatte am Donnerstag angekündigt, es kämen künftig die 2G+-Regel zu Anwendung. Noch am selben Tag ruderte der Konzern zurück: „Aufgrund der weiterhin hohen Inzidenzen hat die AG Kliniken beschlossen, das Besuchsverbot an den Kliniken in Wiesbaden, Rheingau-Taunus-Kreis und Limburg-Weilburg weiter aufrechtzuerhalten.“
Die neuen Regeln
Am Samstag, 2. April, treten in Hessen die neuen Corona-Regeln in Kraft, die das Bundesinfektionsschutzgesetz vorschreibt. Sie sind zunächst bis zum 29. April befristet.
Maskenpflicht besteht in Arztpraxen und Krankenhäusern (nicht für stationäre Krankenhauspatient:innen), in Alten- und Pflegeheimen, bei Pflege- und Rettungsdiensten, in Bussen und Bahnen, in Sammelunterkünften wie Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünften.
Testpflicht besteht für Arbeitgeber, Beschäftigte und Besucher:innen in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie Sammelunterkünften; die Einrichtungsleitung hat die Möglichkeit, Ausnahmen für Geimpfte und Genesene „sowie aus sozialethischen Gründen“ zu machen. Bei einem Ausbruch kann das Gesundheitsamt Testungen von Bewohner:innen, insbesondere in Pflegeheimen, anordnen.
In Schulen werden Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler weiterhin dreimal wöchentlich getestet. Justizvollzugs- und Abschiebehaftanstalten können selbst Testpflicht anordnen.
Die Verpflichtungen zur Isolation beziehungsweise zur Quarantäne bleiben auf Basis der bundesweite gültigen Empfehlungen des Robert Koch-Instituts bestehen. jur
Keine Maskenpflicht mehr in Geschäften, ungeimpft und ungetestet im Sportstudio trainieren. „Ich betrachte das mit Sorge“, sagt Jürgen Graf, Direktor der Frankfurter Universitätsklinik. Der für die warme Saison zu erwartenden Abschwung bei den Infektionszahlen sei noch nicht in Sicht. „Sinnvoll wäre es, wenn in Innenräumen wie Geschäften, öffentlichen Einrichtungen, Schulen oder Universitäten weiter konsequent ein chirurgischer Mund-Nasen-Schutz getragen wird“, sagt Graf und hofft auf die Vernunft: „Das ist grundsätzlich aber auch ohne gesetzliche Regelung möglich.“ Die Änderungen im Infektionsschutzgesetz ließen sich medizinisch nicht begründen. „Das ist eine politische und gesellschaftliche Entscheidung.“ Welcher Zweck damit verfolgt werde, sei nicht ersichtlich: „Die klare Definition der Ziele fehlt.“
Dass die Universitätsklinik das Besuchsverbot aufrechterhalte, sei auch im Sinne der Belegschaft. Fast 97 Prozent seien vollständig geimpft oder genesen – erfüllten demnach die aktuellen gesetzlichen Anforderungen. Graf: „Sie sind sehr engagiert und verantwortungsbewusst, das macht mich optimistisch für die Zukunft.“ Im Fall einer Überlastung der Kliniken könnten Hessen eine Region oder das ganze Land zum Hotspot erklären und schärfere Regeln erlassen. Doch der Gesetzgeber lasse offen, was Überlastung heiße, kritisiert Graf. Die aktuelle Lage sei eigentlich zufriedenstellend. „Hessen hat gegenwärtig nicht die schlechteste Position.“ Gleichwohl gebe es Einschränkungen. Auch an der Uniklinik schlagen sich die hohen Inzidenzen auf den Krankenstand nieder. So kam es in jüngster Zeit auch vor, dass Operationen um einige Stunden später oder auch auf den nächsten Tag verschoben werden mussten, wie Graf berichtet. Mehr als 750 Beschäftigte seien im ersten Quartal aufgrund von Corona ausgefallen – eine Quote von zehn Prozent. Wichtig sei bei alledem: „In der Akut- und Notfallversorgung sind wir voll einsatzfähig“.
Nicht nur der Klinikdirektor betrachtet die Entwicklung mit Sorge. Das hessische Ärzteparlament appelliert an die Landespolitik, sich auf Bundesebene für eine zeitlich befristete allgemeine Impfnachweispflicht gegen Sars-CoV-2-Viren einzusetzen. Lediglich 58 Prozent der Bevölkerung seien derzeit vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind (2 Impfungen plus Booster). Eine Impfung erzeuge zwar keine sterile Immunität, doch vollständig Geimpfte erkrankten seltener schwer und an Long-Covid, auch müssten sie deutlich seltener im Krankenhaus behandelt werden. „Aufgrund der andauernden pandemischen Lage ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich weitere Virusvarianten entwickeln, hoch“, heißt es in einer Mitteilung vom Freitag. „Damit es im Herbst nicht erneut zu einer starken Belastung oder gar Überlastung des Gesundheitswesens kommt und erneut einschränkende Maßnahmen im Alltag eingeführt werden müssen, ist eine hohe Impfquote, insbesondere der älteren Bevölkerung erforderlich.“