Auf Achse

Politikerinnen und Politiker sind immer viel unterwegs. Woher sollen sie sonst wissen, wo das Volk der Schuh drückt? Oder Unterstützung von ganz weit oben bekommen? Die Kolumne.
Manchmal packt auch Politikerinnen und Politiker das Reisefieber. Und das ergibt beruflich durchaus Sinn, Politik kann man schließlich nicht nur vom Schreibtisch aus gestalten. Man muss raus in die Welt, auf die Gass‘ und zu de Leut‘. Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) war in den vergangenen Wochen viel unterwegs. Er hat auf der Internationalen Sanitär- und Heizungsmesse in Frankfurt das Können der hessischen Heizungsbauer gelobt, beim „Talk im Gasthaus“ in der Wehrheimer Gaststätte „Löwenherz“ über die Stärkung des ländlichen Raums diskutiert, bei der Meisterfeier der Handwerkskammer Wiesbaden erklärt, dass Handwerk auch heute noch goldenen Boden habe.
Für Rhein lohnen sich solche Ausflüge gleich doppelt, denn er ist ja noch nicht einmal ein Jahr im Amt und muss sich noch überall bekanntmachen. Bei der Landtagswahl am 8. Oktober will er sein neues Amt schließlich verteidigen. Wäre ja blöd, als der am kürzesten amtierende Ministerpräsident Hessens seit den 50er Jahren in die Geschichte einzugehen.
Diese Woche hat sich Boris Rhein nicht in den Taunus oder nach Nordhessen aufgemacht, sondern nach Rom. Er hatte eine Privataudienz bei Papst Franziskus, anschließend konnten auch seine Frau Tanja Raab-Rhein und die Präsidentin des hessischen Landtags, Astrid Wallmann (CDU), dem absoluten Monarchen die Hand schütteln. Ob der Katholik Rhein den heiligen Vater gebeten hat, bei seinem Chef um gutes Gelingen bei der Wahl zu bitten, ist nicht bekannt, dafür wissen wir, dass Franziskus ein Eberbacher Kreuz geschenkt bekommen hat, von Hand aus Rheingauer Rebstockholz geschnitzt. Und dass er mit Rhein über Religion und die Zuversicht in Krisenzeiten gesprochen hat. Ein anderes Krisengespräch hat Rhein dafür übrigens verpasst, nämlich die Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin. Und das verwundert schon ein wenig, schließlich hat Rhein in letzter Zeit ziemlich viel rumgemeckert, die Bundesregierung solle gefälligst mehr Geld für die Flüchtlingsunterbringung rausrücken und mehr Abschiebungen ermöglichen. Nun gut, manchmal muss man eben Prioritäten setzen. Und der Regierungschef wusste sich von Axel Wintermeyer, seinem Leiter der Staatskanzlei, sicherlich erstklassig vertreten. Außerdem, so hieß es, sei die Audienz in Rom schon mal verschoben worden.
Wo wir gerade bei Zuversicht waren: Die verbreitet auch ein weiterer hessischer Vielreisender, nämlich Justizminister Roman Poseck (CDU). Der war zuletzt so viel unterwegs, dass sein Ministerpräsident dagegen fast häuslich wirkt. Staatsanwaltschaft Wiesbaden, Amtsgericht Frankfurt, Amtsgericht Darmstadt, Staatsanwaltschaft Limburg, der Knast in Preungesheim: kaum eine Institution der hessischen Justiz, der Poseck keinen Besuch abgestattet hat. Muss er natürlich auch als Minister, der ebenfalls noch kein Jahr im Amt ist und dessen Vorgängerin Eva Kühne-Hörmann zuletzt, nun ja, nicht nur beliebt war. Poseck verbreitet auch Zuversicht, wo er geht und steht: Mehr Stellen für die Justiz, Kampf um die besten Nachwuchsjurist:innen, und die E-Akte soll auch pünktlich kommen.
Kristina Sinemus, ihres Zeichens hessische Digitalministerin, ist übrigens auch viel unterwegs. Bei ihren Ausflügen geht es immer um irgendwas mit Handymasten, Start-ups, künstlicher Intelligenz oder Internet. Aber wenn man ganz ehrlich ist: So richtig versteht das sowieso keiner.
Jutta Rippegather und Hanning Voigts berichten für die FR aus dem hessischen Landtag. Einmal die Woche geben sie ihren Senf dazu. Alle Kolumnen im Internet unter: fr.de/loewensenf