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Rüsselsheimer Solawi leidet unter der Inflation

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Von: Madeleine Reckmann

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Im Folientunnel wachsen Kohlrabi, Mangold und Salate.
Im Folientunnel wachsen Kohlrabi, Mangold und Salate. © Privat

Die Rüsselsheimer solidarische Landwirtschaft verkleinert sich und baut ein zweites Standbein auf.

Erstmals seit Bestehen der Rüsselsheimer solidarischen Landwirtschaft (Solawi) „Auf dem Acker“ vor fünf Jahren hat die Gemeinschaft weniger Mitglieder als im Vorjahr. Bislang waren jedes Jahr zwei bis drei Dutzend Menschen mit Vorliebe für ökologisch und wohnortnah angebautes Gemüse dazugekommen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit einhergehende Inflation hat den Trend für 2023 umgedreht. Deshalb baut das Ackerteam nun ein zweites Standbein auf.

„Einige Mitglieder haben uns gesagt, dass sie sich den Monatsbeitrag nicht mehr leisten können“, berichtet Petra Meya, die im Verein für die Mitgliederverwaltung zuständig ist. Eine Solawi-Mitgliedschaft dauert immer ein ganzes Jahr - jeweils von April bis März. Das hat den Vorteil, dass der Betrieb mit festen Einnahmen und Ausgaben kalkulieren kann. Solawi-Mitglieder zahlen einen festen Vorschuss, dafür gehört ihnen die komplette Ernte, die auf die Zahl der Mitglieder verteilt wird. Das Prinzip scheint manche jetzt zu überfordern. „Die Leute halten ihr Geld zusammen und möchten sich nicht für ein Jahr verpflichten“, sagt Betriebsleiterin Sandra Wolf.

Weniger Ernteanteile

Wenn das Ackerteam jetzt die Felder bestellt, muss es also mit etwas kleineren Mengen an Karotten, Kohlrabi, Kartoffeln und anderem Gemüse rechnen. Anstatt 105 Ernteanteile wie im vergangenen Jahr gibt die Solawi von April an nur 85 Ernteanteile aus. Das geringe Interesse an einer Teilnahme hatte sich schon im Winter abgezeichnet. Die Informationsveranstaltungen waren nicht so gut besucht wie sonst. Und das, obwohl die Solawi trotz der gestiegenen Preise für Sprit für die Traktoren, Saatgut und Ökodüngemittel den Richtwert für den Monatsbeitrag mit 96 Euro recht stabil halten konnte.

Das Netzwerk „Solidarische Landwirtschaft“, dem nach Angaben der Geschäftsleitung 530 bestehende und im Aufbau begriffene Solawis in Deutschland angehören, kann eine generelle Zurückhaltung aufgrund der Krise zwar nicht bestätigen. Dazu seien die Solawis zu unterschiedlich, sagt Andrea Klerman, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. Generell hätten es jedoch die Gemeinschaften in Großstädten leichter als die auf dem Land. Das mag der Grund sein, warum die Solawi in Wiesbaden keine Probleme hat, auf die gewünschte Zahl der Mitglieder zu kommen. Die Gruppe in der Landeshauptstadt baut ihren Betrieb nach einem Standortwechsel wieder neu auf. Ihr gehörten 85 Personen an und es gebe eine Warteliste, teilt Barbara Brell vom Verein mit.

Der deutsche Markt für Biolebensmittel schrumpft aufgrund der Krise erstmals. Wie das Informationsportal Öko-Landbau schreibt, kauften die privaten Haushalte von Januar bis September 2022 sechs Prozent weniger Biolebensmittel, der Umsatzrückgang beträgt vier Prozent. Zudem verlagerten sich die Bioeinkäufe in Richtung Discounter. Diese Tendenz wirke sich offenbar auf die Rüsselsheimer Solawi aus, glauben sie im Acker-Team. Anders können sie sich die Entwicklung nicht erklären.

Um die Solawi für die kommenden Jahre krisenfest zu machen, möchte Sandra Wolf für ein ökologisches Unternehmen Saatgut gewinnen. Dieser Zuverdienst könnte der Solawi über schwierige Zeiten hinweghelfen, hofft sie. In der laufenden Saison wird sie je eine Sorte Buschbohnen, Linsen und Rettich dafür anbauen.

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