Rüsselsheim: Holz verwandelt sich in Handtaschen

Ehemaliger Schulleiter und Schulamtsdirektor aus Rüsselsheim widmet sich jetzt dem Drechslerhandwerk.
Eigentlich wolle Felix Weilbächer eine Schale mit Deckel fertigen. Doch als er sich das gedrechselte Werkstück anschaute, dachte er sich, das könnte auch etwas Originelleres werden. „Das war die Geburtsstunde der Holzhandtasche“, sagt der ehemalige Schulleiter, der in Frankfurt und Hanau arbeitete. Seither hat der heute 71-Jährige zahlreiche Taschen angefertigt – aus Eiche, Erle, Nussbaum oder dem Tropenholz Bangkirai. Es gibt Modelle mit eingearbeiteter Handytasche, längliche, runde, eckige, Federmäppchen und auch die Variante aus Rindenholz mit Ledertragegurt – „für den Naturburschen“, erklärt Weilbächer schmunzelnd.
Dabei ist die Idee der Holzhandtasche nicht neu. Schon während des Zweiten Weltkriegs konzentrierten sich die Hersteller von Handtaschen aufgrund der Verknappung von Metall und Leder auf die Erforschung nicht traditioneller Formen und Materialien. „Es tauchten Handtaschen aus Plastik und aus Holz auf“, weiß man beim italienischen Luxushandtaschenhersteller Vera. Handtaschen aus Holz sind heute im Internet in zahlreichen Ausführungen zu bekommen.
Holzhandtaschen aus verschiedenen Hölzern
Felix Weilbächer stellt sie indes aus Liebhaberei her und fertigt sie auch individuell an. Die verschiedenen Hölzer werden dabei aneinandergeleimt und dann zersägt. Durch die mosaikförmig angeordneten Hölzer mit ihren unterschiedlichen Nuancen und Maserungen entstehen Taschen mit interessanten und hübschen Musterungen. Jede einzelne ist ein Unikat. „Serienarbeit wäre der Tod“, sagt Weilbächer.
Hauptsächlich verarbeitet er Abfälle, die er sich beim Holzzuschnitt oder im Sägewerk holt. Aus einem Kubikmeter Holz könne man schon ziemlich viele Stücke machen. Circa 25 Stunden brauchte er, um eine Tasche herzustellen. Los gehe es immer mit einer Skizze, die manchmal auch in einer schlaflosen Nacht entstünde. Am PC wird der Entwurf dann gestaltet und in Originalgröße ausgedruckt. Dadurch kann der Entwurf dann eins-zu-eins in Holz umgesetzt werden.
Wenn die Tasche dann ihre Form hat, muss sie noch grundiert, geölt, gewachst und geschliffen werden. Dazwischen liegen jeweils mehrere Tage Trockenzeit. Mit Kaliumsilikat wird bröseliges Rindenholz verdichtet.

Die Taschen sind gar nicht so schwer, wie man denkt, und ganz praktisch. Jedenfalls kann darin kaum etwas zu Bruch gehen. In seinem Atelier in Rüsselsheim-Königstädten gibt es aber nicht nur Taschen zu sehen. Eigentlich ist hier alles aus Holz und selbst angefertigt – Hänge- und Stehlampen, Kerzenleuchter, Ostereier, Schalen, Schüsseln, Becher, Schmuckanhänger, Dosen und Stifte. Dabei hat Weilbächer erst nach seiner Pensionierung begonnen, als Drechsler seine Leidenschaft auszuleben. Das eine oder andere Stück verkauft er.
Ausstellungen
Felix Weilbächer zeigt seine Objekte bei zwei lokalen Veranstaltungen.
Der Ostermarkt der Königstädter Vereine ist am 12. März von 14 bis 17 Uhr im Innenhof von Wohnen im Inselhof, Konrad-Adenauer-Ring 41, Rüsselsheim.
Beim 10. Königstädter Kunst-Kilometer am 21. Mai von 11 bis 17 Uhr werden Kunstobjekte in Gärten und Höfen präsentiert. Um 17 Uhr beginnt ein Weinabend im Garten der evangelischen Kirche. Eintritt frei. cka
In seinem frühere Leben war Weilbächer Schulamtsdirektor in Hanau und davor bis 2006 Leiter der Friedrich-Stoltze-Schule in der Frankfurter Innenstadt. Während dieser Zeit habe die Schule den Integrationspreis der Stadt bekommen, erinnert sich Weilbächer. Schon zu seiner Zeit als Kunst- und Musiklehrer, ebenfalls an der Hauptschule, fertigte er mit seinen Schülern Holzmarionetten. „Damals habe ich Blut geleckt“, sagt er. Doch im Grunde sei seine Liebe zum Holz schon immer Teil seines Lebens gewesen.
Felix Weilbächer: Ganze Familie arbeitete mit Holz
Sein Vater war Zimmermann, seine beiden älteren Brüder wurden Schreiner und Wagner. „Von ihnen habe ich alles gelernt“, sagt Weilbächer. Das sei schon als Kind losgegangen mit dem Fegen der Werkstatt. Als Student habe er Türen und Fenster eingebaut und sich so etwas dazuverdient. Die Drechselei habe er sich dann nach seiner Pensionierung selbst beigebracht.
Geboren wurde Felix Weilbächer 1951 in Nauheim (Kreis Groß-Gerau). Als er fünf Jahre alt war, zog seine Familie nach Königstädten. Direkt neben seinem Elternhaus, wo er heute noch lebt, befindet sich in einer ehemaligen Garage auch seine Werkstatt. Schon sein Vater habe hier gearbeitet und Holzkisten hergestellt. Die Werkstatt ist klein, eng und bis unter die Decke gefüllt mit Holzstücken, Werkzeug, Gläsern mit Beizen, Kreissäge, Bohrmaschine und natürlich einer Holzdrehbank. Diese habe er sich erst kürzlich zugelegt und die bisherige verkauft, erzählt er.

Drechsler aus Königstädten: Experimentieren ist wichtig
Weilbächer geht es ums Experimentieren, wie er sagt. Er habe schon probiert, Bienenwachs selbst herzustellen, um damit seine Holzstücke zu imprägnieren. Doch das gekaufte sei besser gewesen. Auch Beize setzte er selbst und ist dabei geblieben. Die braune Flüssigkeit aus Essigessenz und Stahlwolle ergibt einen dunkel Holzton im Vintagelook. Nicht nur mit Materialien experimentiert er, sondern auch mit Formen und Optik. Seine Lampenkreationen zum Beispiel muten teilweise surrealistisch an, sind aber aus naturbelassenem Holz. Lämpchen im Innern von Holzkörper, die über Klappen geöffnet werden können oder mit verschiedenen beweglichen Glaslinsen unterschiedliches Licht zaubern, präsentiert er stolz.
Auch Urnen hat er auf Bestellung schon gedrechselt. Und aus einem verdorrten Weihnachtsbaum wurde ein Nordmann-Gehstock. Der nächste ausgediente Weihnachtsbaum steht schon parat. Auch aus der Nachbarschaft, komme hin und wieder mal ein umgemachter Obstbaum, sagt Weilbächer. Im Ort ist seine Leidenschaft ja allgemein bekannt. Das rührt vermutlich auch von seinen Ausstellungen her. Bevor er sich aufs Drechseln spezialisierte, kreierte er am PC farbenprächtige Grafiken und stellte diese aus. Doch das machte er nur zwei Jahre.
Jetzt steht er täglich in seiner Holzwerkstatt. Mit seinen Arbeiten ist Felix Weilbächer demnächst bei zwei Ausstellungen zu sehen. Beim Ostermarkt in Königstädten präsentiert er seine Objekte gemeinsam mit anderen Kunsthandwerker:innen. Und bei der Aktion „Kunstkilometer“ ist er ebenfalls dabei.