Polizei traktiert Apotheker: „Ich habe an George Floyd gedacht“

Bei einem Polizeieinsatz in Kelsterbach ist im September 2021 ein Apotheker verletzt worden. Die Polizisten mussten sich am Mittwoch vor dem Amtsgericht Rüsselsheim verantworten.
Die Szenerie am 21. September 2021 auf einem Parkplatz vor einer Apotheke in Kelsterbach: Zwei Polizisten und ein Apotheker schreien sich an, es wird geschubst, festgehalten, losgerissen, gerangelt, der Teleskopschlagstock kommt zum Einsatz. Der Apotheker trägt ein geschwollenes linkes Bein mit Hämatom und ein seelisches Trauma davon, die 33 und 24 Jahre alten Polizeibeamten müssen sich vor Gericht wegen Körperverletzung im Amt verantworten.
Videos zeigten im Gerichtssaal einen Teil des Tatgeschehens
Am Mittwoch begann der Prozess gegen die beiden Ordnungshüter vor dem Amtsgericht Rüsselsheim. Videos, die bei der Verhandlung vorgeführt wurden, zeigten, was passierte, als die Lage immer mehr eskalierte. Es handelte sich dabei um Filmmaterial der Bodycam, die einer der beiden Polizisten im Verlauf der Auseinandersetzung eingeschaltet hatte, sowie um Videos von Apotheken-Mitarbeiterinnen.
Der Streit war aus einer Lappalie heraus entstanden. Den beiden Streifenpolizisten war kurz vor 18 Uhr ein Autofahrer aufgefallen, der nicht angegurtet war. Er hielt auf dem Parkplatz der Apotheke an, dort kontrollierten sie ihn. Das ärgerte den Apotheker, der gestern als Nebenkläger auftrat. Seine Belegschaft hatte ihm nämlich berichtet, dass wohl vorher schon einer seiner Lieferanten in eine Polizeikontrolle geraten sei. Er eilte vor die Tür und fragte, warum denn die Polizisten auf seinem Grund und Boden „den Leuten das Geld abknöpfen“.
Einer der Polizisten glaubte, er habe einen Reichsbürger vor sich
Er habe keinen weißen Kittel und kein Namensschild getragen, verteidigten sich die Polizisten vor Gericht. Sein Verhalten habe auf „so was wie einen Reichsbürger“ schließen lassen. Der Apotheker erklärte, er habe die Kontrollen vor seinem Laden als geschäftsschädigend empfunden. Außerdem sei es für ihn sehr demütigend gewesen, vor seiner Kundschaft „so behandelt zu werden“.
„So behandelt“ heißt: Der 33-jährige Polizist verlangte seinen Ausweis, ließ ihn aber nicht ins Büro gehen, wo der Ausweis lag. Der Grund: Der Ordnungshüter wollte zum einen die Lage statisch halten und wollte zum anderen einer Person, „die wir nicht kennen, aus Sicherheitsgründen nicht in einen Raum folgen, den wir nicht kennen.“
Er habe den Schlagstock dosiert eingesetzt, sagte der Polizist
Der Apotheker wurde laut, war für Argumente nicht mehr zugänglich, erklärte der Polizist. Er griff seinen Arm, der Apotheker schlug die Hand weg. Der Polizist schubste ihn von sich weg, „weil er mit der Hand vor meiner Nase gestikulierte“. Der Apotheker kündigte dann plötzlich an, in die gegenüberliegende Polizeistation zu gehen. Der zweite Polizist, der bisher noch mit der Verkehrskontrolle beschäftigt war, lief herbei und fixierte den Apotheker am Unterarm. Es kam zum Gerangel, sie versuchten, ihn zu Boden zu bringen, was aber nicht gelang. Der Angegriffene erklärte, er sei am Kragen gefasst worden. Vor Gericht zeigte er seinen zerrissenen Pullover und sein kaputtgerissenes T-Shirt.
Der ältere der beiden Ordnungshüter verteidigte sich vor Richterin Andrea Besold, der Apotheker habe ihn seinerseits am Kragen seiner Schutzweste gepackt, die daraufhin halbseitig riss. Da hätten bei ihm die Alarmglocken geschrillt und er habe den Schlagstock gezogen. „Ich habe den Schlagstock dosiert eingesetzt“, sagte er. Er hätte mit dieser Waffe auch ganz anders zuschlagen können. Der Apotheker sagte, er habe Angst gehabt, dass er eine Kopf- oder Rückenverletzung davontrage, wenn er wie verlangt auf den Boden gehe. Er habe „an George Floyd gedacht“.
Der Prozess wird am kommenden Mittwoch mit acht Zeugenaussagen fortgesetzt.