Polizeikontrolle bei Groß-Gerau: Motorradflucht und Waffenfund

Mit einem Großaufgebot kontrollieren Polizei, THW und Autobahnpolizei Autos an der B44 zwischen Groß-Gerau und Mörfelden-Walldorf. Im Fokus stehen Alkohol und Drogen. Von Sebastian Weissgerber
Die Verkehrskontrolle am Mittwochabend an der B44 am Falltorhaus zwischen Groß-Gerau und Mörfelden-Walldorf ist kaum angelaufen, da gilt es schon den ersten Flüchtigen zu verfolgen: Ein:e Motorradfahrer:in hat rund 100 Meter vor der Polizei gewendet und ist wieder Richtung Mörfelden-Walldorf gedüst. Die hinter ihm hereilende Streife hängt er oder sie zwischen zwei Pollern ab. Einige Meter weiter lässt die flüchtende Person das Motorrad stehen und entkommt unerkannt zu Fuß.
Dabei wäre sie vermutlich einfach durchgewinkt geworden. Der nächste Motorradfahrer, der sein Gesicht mit einem schwarzen Tuch verdeckt hält, wird von einem der mehr als zwei Dutzend Polizist:innen nur mit freundlichem Nicken gegrüßt. „Schönes Wetter für Motorradfahrer“, kommentiert der Rauswinkposten, wie die Polizisten auf der Straße intern genannt werden, auf Nachfrage. Ansonsten lassen sich die Beamt:innen kaum in die Karten schauen, nach welchen Kriterien sie die heute insgesamt 92 Fahrzeuge in die zehn mit Flatterband abgesperrten Kontrollboxen auf dem großen Parkplatz am Waldrand lotsen werden. Nur so viel erklärt Pressesprecherin Katrin Pipping: „Man schöpft aus den Erfahrungen vorheriger Kontrollen und aus der Ausbildung.“ Denn auch wenn die Einladung der Presse heute der „Transparenz“ dienen soll, dürfen „einsatztaktische Details“ nicht veröffentlicht werden. Das umfasst auch die genaue Zahl der Einsatzkräfte.
Verkehrskontrolle mit beeindruckendem Aufgebot
Beeindruckend ist das Aufgebot allemal: Die Groß-Gerauer Polizei wird bei der Kontrolle mit Schwerpunkt auf Rauschmitteln von der hessischen Bereitschaftspolizei unterstützt sowie einem Dokumentenprüfer der Darmstädter Autobahnpolizei, einem Polizeidiensthundeführer mit Drogen- und Schutzhund Marleck sowie dem Social-Media-Team des Polizeipräsidiums Südhessen.

Außerdem sind acht Männer vom Technischen Hilfswerk (THW) Groß-Gerau mit zwei LKW angerückt, um einen Stromgenerator, mehrere Zelte und meterhohe Flutlichtstrahler aufzubauen. „Das gehört zur Gefahrenabwehr“, erklärt deren Gruppenführer Pascal Warnecke. Und der ebenfalls anwesende Staatsanwalt Sebastian Knell lobt: „Das ist alles sehr gut organisiert hier.“
Verkehrskontrolle: 20-Jähriger mit glasigem Blick
Dringend aus dem Verkehr gezogen gehört derweil ein 20-jähriger Rotschopf mit glasigem Blick. In der Kontrollbox bittet ihn Polizeikommissarin Lara Götz zunächst, zum Drogenvortest auszusteigen. „Bitte die Augen schließen, den Kopf in den Nacken legen, die Hände mit gespreizten Fingern ausstrecken“, sagt sie. Während der junge Mann im Kopf 30 Sekunden abzählen soll, beginnt er am ganzen Körper so zu zittern, dass ihm sogar die Knie schlackern. Götz‘ Blick sagt schon alles. „Ich würde ihnen einen freiwilligen Urintest anbieten“, sagt sie dennoch. Hilflos versucht sich der Fahranfänger herauszureden, er sei nervös und habe „vor drei bis vier Tagen“ Marihuana konsumiert. Der Schnelltest, ähnlich einem Coronatest, nur eben mit Urin und deutlich mehr Streifen für Drogen von Kokain bis zu Opiaten, schlägt jedoch nicht nur auf den Cannabiswirkstoff THC an, sondern auch auf Amphetamine.

Bilanz
Parallel zur Rauschmittelkontrolle auf der B 44 wurden am Mittwoch auch Geschwindigkeitskontrollen vorgenommen und Gaststätten kontrolliert.
Insgesamt überprüften Kontrolleure sieben Betriebe und 41 Personen. Eine Shisha-Bar wurde sofort geschlossen. Der Grund: gravierende baurechtliche Mängel und Verstöße gegen die Steuergesetzgebung.
Bei Gaststättenkontrollen fanden die Beamt:innen mehr als 30 Kilogramm unversteuerten Tabak. Es wurden vier Strafverfahren eingeleitet, drei Ordnungswidrigkeiten angezeigt, zwei Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz festgestellt sowie eine Pistole und ein Springmesser sichergestellt.
Bei Geschwindigkeitsmessungen auf der B 486 wurden mittags 65 Fahrzeuge gestoppt und mehr als 80 Personen kontrolliert. Hier ahndeten die Einsatzkräfte 40 Ordnungswidrigkeiten und einen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz. cka
Verkehrskontrolle: 118 Personen werden überprüft
Als Beweis für eine Rauschfahrt gilt das Testergebnis noch nicht, erklärt Pipping. Es runde nur den gut begründeten Verdacht ab, um eine Blutentnahme anzuordnen. Bis das Blut im rechtsmedizinischen Institut in Frankfurt analysiert ist, könnten jedoch einige Wochen vergehen. Für heute ist die Fahrt für den mutmaßlich gleich doppelt Berauschten in jedem Fall zu Ende. „Der muss sich jetzt von der Familie oder Freunden abholen lassen“, erklärt Pipping, die auch noch einige Zahlen mitgebracht hat. 2021 fielen in der Polizeidirektion Groß-Gerau, die sich von Kelsterbach bis Gernsheim erstreckt, 101 von insgesamt 446 Fahrten mit Drogen oder zu viel Alkohol im Blut erst bei einem Unfall auf.

Bei der Kontrolle am Mittwoch sind von insgesamt 118 überprüften Personen fünf ohne gültige Fahrerlaubnis unterwegs. Ein Fahrzeugführer macht sich wegen einem Teleskopschlagstocks mutmaßlich eines Verstoßes gegen das Waffengesetz schuldig. Und ein 34-jähriger Mitfahrer eines Möbeltransporters wird mit zwei Haftbefehlen wegen Schwarzfahrens und nicht gezahlter Geldstrafen gesucht. Weil er die offenen 4000 Euro noch am Abend zahlt, bleibt ihm der Justizvollzug erspart.
Verkehrskontrolle: „Verdacht auf Waffen“
Plötzlich herrscht Aufregung an der vorletzten Kontrollbox. „Verdacht auf Waffen“, erklärt Pipping, während Kommissarin Götz zwei Gasmasken aus dem Kofferraum eines alten Jaguars fischt. Der Verdächtige, Kay M., der in Trebur schon mal als Bürgermeister kandidieren wollte, scheint die Kontrolle, die sich über zwei Stunden hinzieht, bis zum Schluss zu genießen. „Das ist einfach nur Campingkram, Prepper- und Survivalscheißdreck“, erklärt er mit Blick auf den größer werdenden Haufen aus jagdfähigem Bogen, Pfeilen mit Stahlspitzen, diversen Messern, mehr als einem Dutzend Signalfackeln, Pfefferspray, Schreckschussmunition, einem Beil und Polizeiabsperrband.
„Alles legal“, sagt der Tierschützer, Kampfsportler und Hobbyjurist, dem die Beamt:innen schließlich doch noch einen Rechtsirrtum nachweisen können: Die tief in seinem Kofferraum vergrabene Druckluftpistole darf nicht mit eingelegtem Magazin transportiert werden. Er ärgert sich eigentlich nur, dass er das nicht wusste. „Ich bin so ein rechthaberischer Mensch, da freue ich mich fast schon darüber, das zu bezahlen.“ (Von Sebastian Weissgerber)