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Das Koalitions-Labor

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Ministerpräsidentenwechsel anno 1951. Christian Stock (li.) übergibt an  Georg-August Zinn.
Ministerpräsidentenwechsel anno 1951. Christian Stock (li.) übergibt an Georg-August Zinn. © dpa/pa

Schwarz-Rot, Rot-Gelb, Rot-Grün, Schwarz-Gelb - Hessen war schon immer ein Land der Farb-Experimente.

Von MICHAEL GRABENSTRÖER

Am Anfang stand eine große Koalition. Man schrieb das Jahr 1946 in Hessen. Die Wähler hatten im Dezember über die Landesverfassung abzustimmen und wählten gleich den ersten Landtag mit. Danach fiel die Entscheidung für eine große Koalition. Zum Regierungschef wurde am 20. Dezember 1946 der SPD-Politiker Christian Stock gewählt. Aber einer wehrte sich zunächst vehement gegen die rot-schwarze Koalition: Georg-August Zinn, der später zum Übervater der sozialdemokratischen Ausprägung Hessens wurde.

Die SPD hatte zehn Sitze mehr als die CDU errungen, und Zinn wollte partout nicht mit den Christdemokraten an einem Kabinettstisch sitzen. Der SPD-Politiker, noch heute als "Gründervater Hessens" verehrt, ließ sich erst nach vielen Gesprächen in die Pflicht nehmen, wurde dann im Jahr 1951 Ministerpräsident - und blieb es 18 Jahre lang.

Mit der großen Koalition begann die Geschichte des "roten Hessens", die aber nicht durchgängig rot eingefärbt war. Denn nachdem die CDU bei den Wahlen im Jahr 1950 unter die 20-Prozent-Marke abrutsche, brauchte Zinn nach den nächsten drei Wahlentscheidungen Bündnispartner. Er fand sie in einer Koalition mit der Gesamtdeutschen Partei/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten(GP/BHE).

Erst 1966 regierte die SPD bis 1970 mit absoluter Mehrheit, nachdem sie von 1962 bis 1966 trotz absoluter Mehrheit noch die Koalition fortgesetzt hatte.

Nach 1970 koalierte die SPD mit der FDP, mit durchaus fortschrittlichen Ansätzen. Der Ministerpräsident hieß Albert Oswald und berief erstmals einen Umweltminister in sein Kabinett - ein Novum in der Republik.

Die sozial-liberale Koalition auf Bundesebene beeinflusste auch Hessen: Als das Bündnis dort endete, war auch hier die sozial-liberale Verbindung vorbei. 1982 scheiterten die Mehrheitsbeschaffer von der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Grünen kamen in den Landtag, waren aber noch nicht bereit für eine Regierungsbeteiligung. Holger Börner, SPD-Ministerpräsident, regierte geschäftsführend weiter. So sieht es die Landesverfassung vor: Es gab keine parlamentarische Mehrheit, die ihn hätte abwählen und einen anderen an seine Stelle hätte setzen können.

1983 begann das rot-grüne Experiment in Hessen - nach vorgezogenen Neuwahlen zunächst mit einer Tolerierung des SPD-Ministerpräsidenten Börner durch die Grünen. Dieses ständig neue Austarieren der Regierungsarbeit wurde 1985 beendet. Hessen schuf ein Polit-Exempel, das beispielgebend wurde für die Republik, und verabredete eine rot-grüne Koalition. Joschka Fischer ging als erster Minister der Grünen in die Geschichtsbücher ein.

Doch das Bündnis zerbrach am Streit über die Betriebsgenehmigung für die Brennelementefabrik Alkem. 1987 wurde neu gewählt, Börner war nicht mehr angetreten, die CDU gewann. Der erste CDU-Regierungschef Hessens, Walter Wallmann, ging eine Koalition mit der FDP ein, die nur eine Legislaturperiode Bestand hatte. Rot-Grün kehrte zurück, für zwei Legislaturperioden unter Ministerpräsident Hans Eichel.

1999 siegte die CDU und schmiedete unter Roland Koch erneut eine bürgerliche Koalition mit der FDP. 2003 holte dann Roland Koch die absolute Mehrheit für die Union - ebenfalls ein historischer Erfolg.

Koalitionsvarianten haben die Landesgeschichte begleitet. Der Überblick zeigt, dass neue Bündnisse und überraschenden Konstellationen nicht ausgeschlossen sind, wenn man sich der Pflicht oder der Macht nicht entziehen kann.

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