Kitze vor dem Mähtod retten

Wenn Bauern ihre Felder mähen, werden immer wieder Rehkitze, Junghasen und Bodenbrüter getötet. Um das zu verhindern, entwickeln Jäger und Landwirte in Hessen eine Rettungsstrategie.
Jetzt sind die Wiesen wieder satt und dunkelgrün: Bald werden die Landwirte die erste Maht des Jahres in Angriff nehmen. Für gewisse Tiere besteht dann Lebensgefahr. Jedes Jahr stürben bundesweit rund 90 000 Rehkitze unter dem Kreiselmäher, schätzt die Deutsche Wildtierstiftung. Auch für Junghasen und Bodenbrüter wird es eng. Das wollen Engagierte jetzt ändern.
Der Landesjagdverband Hessen hat dieser Tage zum Runden Tisch zum Thema „Jungwildrettung“ eingeladen. Noch in dieser Mähsaison soll die beschlossene engere Zusammenarbeit beginnen. „Wichtig ist eine schnelle und reibungslose Kommunikation zwischen allen Beteiligten“, sagt Nikolaus Bretschneider-Herrmann, Vizepräsident des Landesjagdverbands. „Der Jäger muss einige Tage vor dem Mähtermin informiert sein und kann dann den Einsatz mit den Helfern organisieren.“
Verfahren vor dem ersten Mähtermin
Konkret haben die Experten folgendes Vorgehen verabredet: Am Abend vor dem Mähtermin werden Scheuchen, Radios oder Wildwarnsysteme auf den Wiesen aufgestellt, damit Muttertiere ihren Nachwuchs dort nicht ablegen. Wichtig dabei ist der Zeitpunkt: Sie dürfen nur kurz vor der Maht eingesetzt werden, da sich das Wild sonst schnell daran gewöhnt.
Günstig ist auch, wenn der Landwirt bereits am Vorabend einen Streifen anmäht. Die Tiere erkennen dadurch rechtzeitig die Gefahr und haben die Möglichkeit, im Schutz der Nacht zu flüchten.
Am nächsten Morgen vor Beginn der Maht suchen Helfer die Wiesen ab. Eventuell mit Unterstützung von Flugdrohnen, die mit Wärmebildkameras ausgestattet sind. Zeigt sich ein Kitz auf dem Monitor oder findet einer der Helfer mit oder ohne Hund ein Tier, trägt er es mit Handschuhen auf einem Grasbüschel von der Wiese weg. Unterstützt werden die Jäger bei dieser Arbeit von Kitzrettungsstationen.
Eine weitere Möglichkeit sei der Einsatz einer „Schallkanone“, erläutert der Landesjagdverband. Die ist direkt am Mähwerk angebracht und verscheucht mit einem lauten Warnton die Muttertiere. Wo die aufstehen, dort sei in den meisten Fällen das Kitz abgelegt und schnell zu finden. Besonders wichtig sei außerdem, dass auf die Suche unmittelbar das Mähen erfolge. Vergehe nur eine Stunde, könne es sein, dass die Ricke sich in Sicherheit wiege und ihr Junges wieder im Gras ablege.
Auch das Vorgehen des Landwirts sei ausschlaggebend: „Er mäht am besten von innen nach außen, um den Tieren noch eine Flucht in die Randbereiche zu ermöglichen.“ Denn die scheuten tagsüber offene Flächen.
Die hessischen Jäger sind sich sicher: Mit der verabredeten Strategie und mit der Unterstützung von freiwilligen Helfern können sie in diesem Jahr noch mehr Kitze vor dem Mähtod retten. Dass Jungtiere in hohem Gras abgelegt würden, liege in ihrer Natur, das sei ein normales Verhalten. „Deshalb sollten sie an Tagen, an denen nicht gemäht wird, auf keinen Fall berührt oder weggetragen werden“, warnt der Verband.