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Kampfkurse für Korporierte

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Von: Joachim F. Tornau

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Burschenschaftler mit erhobenem Degen
Das Duell mit dem Degen gehört bei vielen Burschenschaften immer noch zur Tradition. © Imago

In einer Marburger Schulturnhalle übten Verbindungsstudenten jahrelang das Schlagen blutiger Mensuren.

Jahrelang konnten Verbindungsstudenten aus ganz Deutschland in einer Marburger Schulturnhalle trainieren, sich mit Degen zu duellieren. Auch rechtsextreme Burschenschaften waren bei diesen „Fechtlehrgängen“ dabei. Erst nachdem kürzlich der Rechercheblog „Stadt, Land, Volk“ auf diese fragwürdige Tradition aufmerksam gemacht hat, zog die Stadt Marburg die Notbremse. Der Nutzungsvertrag für die Turnhalle der städtischen Emil-von-Behring-Schule sei „annulliert“ worden, teilte eine Sprecherin auf Anfrage der Frankfurter Rundschau mit.

Eigentlich sollte vom 12. bis 14. Mai der nächste Kampfkurs für Korporierte stattfinden: Der Coburger Convent – ein Dachverband von rund hundert pflichtschlagenden Verbindungen in Deutschland und Österreich – hatte zu einem „Fechtlehrgang für Füxe und Jungburschen bis zum 4. Couleursemester“ geladen, wie es in der vom Rechercheblog veröffentlichten Einladung heißt.

Die Leitung sollte ein Fechtmeister des VfL 1860 Marburg übernehmen, der, selbst Alter Herr mehrerer schlagender Studentenverbindungen, derartige Lehrgänge bereits seit vielen Jahren anbietet und dafür mindestens seit 2015 die Sporthalle der Emil-von-Behring-Schule genutzt haben soll.

Berührungsängste hatte er dabei offenbar keine: Die Einladung zu einem „interkorporativen Fechtlehrgang“ im Jahr 2019, die der Blog jetzt ebenfalls publik machte, unterschrieb auch ein Vertreter dreier Mitgliedsbünde der völkisch-nationalistischen Deutschen Burschenschaft.

Die Stadt will von alledem nichts gewusst haben. Nach Darstellung der Sprecherin wurde die Turnhalle unter falscher Flagge angemietet: Die Halle sei „einem großen Marburger Sportverein“ für Fechtlehrgänge überlassen worden, auf Antrag eines Vereinsmitglieds. „Die Stadt war nicht über den Charakter des Lehrgangs als vereinsfremde Veranstaltung informiert – weder im aktuellen Fall noch für eventuell ähnliche Lehrgänge in der Vergangenheit.“

Der Antragsteller habe ohne Kenntnis des Vereinsvorstands gehandelt, der deshalb jetzt um die Auflösung des Nutzungsvertrags gebeten habe. Vom VfL 1860 Marburg war zunächst keine Stellungnahme zu bekommen: Man müsse die Vorgänge erst „vereinsintern aufklären“, erklärte die Vorsitzende auf FR-Anfrage. Von den fraglichen Fechtlehrgängen habe der Verein erst in dieser Woche erfahren.

Pflichtschlagende Studentenverbindungen verlangen von ihren Mitgliedern das Schlagen sogenannter Mensuren. Dabei handelt es sich um Zweikämpfe mit geschärften Degen, bei denen die Korporierten ihre „Männlichkeit“ und Tapferkeit unter Beweis stellen sollen – bis auf eine Schutzmaske über Augen und Nasenrücken bleibt der Kopf frei. Wie gefährlich dieses archaische Ritual ist, zeigte sich zuletzt im Februar in Erlangen, als Mitglieder zweier Korporationen nach einer Mensur mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus kamen. Eine der beiden Verbindungen, die damals im blutigen Duell einen Streit um verletzte Ehre austrugen, gehört dem Coburger Convent an – jenem Verband, der jetzt in Marburg zum Training geladen hatte.

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