Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern: Ich war erst unsicher, als ich gefragt wurde. Schließlich habe ich mich mit neuer Architektur und Städtebau beschäftigt – und dann plötzlich Denkmäler? Es hat ein gutes Jahr gebraucht, aber danach wollte ich nichts anderes machen. Außerdem konnte ich mich auch mit moderner Architektur beschäftigen: Die Bauten von heute sind schließlich die Denkmäler von morgen.
Können Sie eigentlich noch überall in Darmstadt hingehen? Denkmalpfleger sind bei Bauherren oft gefürchtet.
Aber natürlich. In den Jahren gab es nur ganz wenige Aufreger. Ich denke, 95 Prozent aller Leute, mit denen ich zu tun hatte, waren zufrieden mit mir. Ich habe mich auch immer als Partner und Berater der Bürger verstanden und versucht, die Leute mitzunehmen, sie zu überzeugen.
Gab es auch Objekte, um die Sie lange gerungen haben?
Schwierig war etwa der Bau des Darmstadtiums: Während der Bauarbeiten machten wir Bodenuntersuchungen und fanden dabei Reste einer Wehrbefestigung aus dem 14. Jahrhundert. Da musste gehandelt werden – leider war zunächst dafür überhaupt kein Geld dafür da. Zum Glück schwenkte die Politik anschließend um und stellte Geld für die Konservierung zur Verfügung.
Wenn in Darmstadt Ihr Name fällt, wird im gleichen Atemzug das Jugendstilbad genannt ...
Das Jugendstilbad ist sicherlich das Highlight meiner Karriere gewesen. Da stecken auch dreieinhalb Jahre intensivster Arbeit drin. Aber auch die Sanierung des Hauptbahnhofs war ein Höhepunkt. Allerdings war das harte Arbeit: Wir hatten es mit wechselnden Ansprechpartnern bei der Bahn zu tun. Aber zum Glück ging alles gut, der Bahnhof ist ein Schmuckstück geworden.
Gibt es noch andere vielleicht nicht so bekannte Projekte, an die Sie gern zurückdenken?
Ich bin sehr froh, viele Bauten der 50er Jahre gerettet zu haben, etwa die Überdachung beim TÜV oder die Metallfenster des Ludwig-Georgs-Gymnasiums, das von Max Taut entworfen wurde.
Die Architektur der 50er und 60er Jahre scheint allgemein weniger im Fokus zu stehen ...
Leider ja. Bei einem Schloss oder Fachwerkhaus versteht eigentlich jeder, dass dies schützenswert ist. Aber bei 50er-Jahre-Architektur wird es schwierig. Da muss man viel erklären, sehr viel darum werben. Ich halte deshalb viele Vorträge und mache Führungen, um auch für die Bauten dieser Zeit ein Bewusstsein zu wecken.
Auch heute sind Sie noch für die Stadt aktiv, koordinieren die Bewerbung der Mathildenhöhe als Weltkulturerbe.
Zur Mathildenhöhe habe ich eine ganz persönliche Beziehung: Ich kam mit fünf Jahren nach Darmstadt, die Mathildenhöhe war mein Spielplatz – sie war wie eine Traumwelt für mich. Diese Bauten, die sich völlig von den anderen Gebäuden unterschieden – da gab es viel zu entdecken für mich. Dass ich heute dafür sorgen kann, dass die Mathildenhöhe weltweite Aufmerksamkeit erhält, macht mich froh.
Wenn wir über die Mathildenhöhe sprechen, müssen wir auch den 2010 geplanten Museumsneubau, den „Klotz“, wie er von den Bürgern genannt wurde, ansprechen. Sie haben damals ja den Bau verteidigt.
Ja, aber in der Rückschau bin ich froh, dass er nicht realisiert wurde. Ich hatte mir schon damals einen anderen Entwurf erhofft, um die Lücke zu schließen. Denn das Haus Christiansen hat eine Lücke hinterlassen. Aber nun ist das Thema vom Tisch. Sollte es je wieder angepackt werden, würde ich mir wünschen, dass man mit viel Einfühlungsvermögen herangeht. Vielleicht wie in Dessau mit dem Gropius-Haus: Es hat den alten Grundriss, man erkennt das Gebäude, und doch ist es neu. Ein zitathafter Wiederaufbau, der alt und neu vereint.
Die Diskussion hatte auch dafür gesorgt, dass die Mathildenhöhe stärker im Bewusstsein der Darmstädter ist.
Heute wird die Mathildenhöhe geschätzt, das war nicht immer so: Ich habe hier etwa Fotos aus den 80er Jahren, damals gab es Vandalismus auf der Mathildenhöhe, Figuren wurden umgeworfen. Auch der Platanenhain sah schlimm aus. Heute ist das zum Glück nicht mehr der Fall. Dank vieler Spenden aus der Bürgerschaft konnten die Skulpturen konserviert werden. Der Verein „Freunde der Mathildenhöhe“ sorgt inzwischen für die Einhausungen der Figuren im Winter – man merkt, die Mathildenhöhe wird von den Darmstädtern geschätzt.
Dass die Mathildenhöhe zum Welterbe ernannt wird, davon sind Sie überzeugt?
Auf jeden Fall.
Sie haben gerade erst einen neuen Bildband über Darmstadt herausgebracht: Fehlt nicht noch ein Bildband über die Künstlerkolonie? Der letzte liegt meines Wissens fast 30 Jahre zurück.
Da ist etwas dran, das wäre eine Idee. Fotos hätte ich genug ...
Ihre Fotos sind weithin bekannt: Seit wann fotografieren Sie eigentlich?
Meine erste Kamera habe ich mir mit 14 von dem Geld, das ich zur Konfirmation geschenkt bekam, gekauft. Seitdem fotografiere ich, die Faszination hat mich nie losgelassen. Andere kaufen sich einen Sportwagen, ich kaufe mir dafür Fotokameras. Architekturfotografie fasziniert mich besonders: Ich möchte versuchen, das Wesen des Objekts deutlich zu machen. In meiner Tätigkeit als Denkmalpfleger kam mir das Fotografieren übrigens auch sehr zugute. Das Foto ist eine wertvolle Quelle. So sehe ich auch meine Bilder: In 50 oder 60 Jahren wird man vielleicht sagen: „So sah Darmstadt also 2016 aus“.