Jüdische Religon als Schulfach

Mark Krasnov ist der erste Lehrer in Hessen, der den mosaischen Glauben an staatlichen Schulen unterrichtet.
Für das Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde, Jacob Gutmark, ist der junge Mann mit dem ausgezeichneten Studienabschluss aus Heidelberg so etwas wie ein kleiner Prophet. Bewegender lässt sich kaum ausdrücken, welchen bedeutsamen Schritt die jüdische Gemeinde gerade gegangen ist. „Da hat sich ein Traum erfüllt; endlich brauchen wir nicht mehr das Gefühl zu haben, so etwas wie ein Geheimbund zu sein“, sagt Gutmark. Seit Jahren unterrichtet die Gemeinde ihre Kinder in ihrem Gemeindehaus in einem Hinterhof in der Friedrichstraße, das zwar am historischen Ort steht, wo seit 1882 die Synagoge ihren Platz hatte. Und doch fand der Religionsunterricht irgendwie versteckt statt.
Seit diesem Schuljahr ist das anders. Die Jüdische Gemeinde hat zum ersten Mal seit dem Holocaust einem im staatlichen Schuldienst angestellten Lehrer die Bevollmächtigung gegeben, jüdische Religion zu unterrichten. Mark Krasnov hat gerade an der Ruprecht-Karls-Universität und der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg sein Zweites Staatsexamen abgelegt. „Mit Auszeichnung“, wie die Gemeinde mitteilt.
Seit den Sommerferien unterrichtet er als Lehrer an der Diltheyschule, einem Gymnasium, drei jahrgangsübergreifende Lerngruppen in jüdischer Religion und andere Klassen in Spanisch, seinem zweiten Hauptfach. Zudem bringt er 13 Grundschulkindern in den Räumen der Gutenbergschule bei, was jüdische Religion bedeutet – insgesamt über 40 Schüler, unter denen nicht nur jüdische, sondern auch konfessionslose oder evangelische Kinder seien.
Der 29-jährige Krasnov ist bundesweit der dritte Lehrer für jüdische Religion an staatlichen Schulen. Nur in Hamburg und in Baden-Württemberg gibt es jeweils eine weitere Lehrperson mit dieser Befähigung.
In Deutschland gebe zwar es in den meisten Bundesländern seit Jahrzehnten staatlich anerkannten jüdischen Religionsunterricht, teilt der Zentralrat der Juden auf Anfrage mit. Meistens seien die Religionslehrer jedoch in einer jüdischen Gemeinde angestellt, nicht an der Schule, und unterrichteten per sogenanntem Gestellungsvertrag an Schulen. Das bedeutet, sie haben kein Staatsexamen und kein Referendariat gemacht und auch kein Zweitfach studiert. Die Regelschule verleihe dem Unterricht einen offiziellen Rahmen, eine respektable Aura, sagt Gutmark.
Die Noten seien zwar auch im allgemeinen Schulzeugnis geführt worden, allerdings auf einem gesonderten Blatt. In der Diltheyschule werden die Schüler im Februar ihre Note für jüdische Religion nun zum ersten Mal auf dem ganz normalen Zeugnis wiederfinden. Die dortigen Religionslehrer hätten ihn freundlich aufgenommen, erzählt Krasnov. Die Eltern seien kooperativ, und würden helfen, wenn etwa ein Kind von einer anderen Schule abzuholen sei.
„Dass wir an staatlichen Schulen unterrichten, ist ein Zeichen, dass wir dazugehören“, sagt Krasnov; „das ist zudem die Fortsetzung dessen, was es bis zum Holocaust in Hessen gegeben hat.“ Gutmark, der auch Religions- und Schuldezernent der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden ist, spricht von Aufbruchstimmung, aber auch von einer Mutprobe. Denn noch immer gebe es Anfeindungen. Das ist der Grund, warum Krasnov seine Kippa zwar im Unterricht und in geschützten Räumen aufsetzt, aber abnimmt, bevor er auf die Straße geht.
Da jüdische Religionslehre an staatlichen Schulen noch eine Seltenheit ist, gibt es in Hessen noch keine gültigen Lehrpläne. Für Grundschüler werde gerade an einem Kurrikulum gearbeitet, sagt Gutmark. Krasnov hat die Erlaubnis des Staatlichen Schulamts Wiesbaden, sich nach den Lehrinhalten zu richten, die er in seiner Ausbildung in Heidelberg, Baden-Württemberg, kennengelernt hat.
Mark Krasnov ist in Odessa geboren und verließ als Kleinkind mit seinen Eltern die Ukraine. Er wuchs in Hannover auf und engagierte sich schon dort in der jüdischen Jugendarbeit. Die Gemeinde in Wiesbaden kennt ihn seit Jahren. Seit 2007 leitet er deren Jugendarbeit.