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Hüterin der Nacht

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Von: Andrea-Maria Streb

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Leidenschaft für Kosmos und Umwelt: Sabine Frank.
Leidenschaft für Kosmos und Umwelt: Sabine Frank. © privat

Sabine Frank hat mit viel Einsatz erreicht, dass die Rhön Sternenpark wurde. Heute berät sie Kommunen, kümmert sich um die Projektevaluation und kämpft für umweltfreundliche Beleuchtung.

"Ich möchte euch zu einer Wanderung einladen: von der Erde zu den Sternen“, begrüßt Sabine Frank die kleine Gruppe Menschen, die sich am späten Abend am Ortsrand von Hofbieber zusammengefunden hat. Die Sommernacht ist mild, der Himmel tief dunkelblau, der Sichelmond schwebt über dem Horizont, die ersten Sterne sind zu sehen. Über sie, den Mond, den Kosmos, wird Frank in den nächsten Stunden viel zu erzählen haben. Die Koordinatorin des Sternenparks Rhön und ihre Gäste sind auf einer Sternenguckerwanderung.

„Romantische Nachtwanderungen sind aber nicht alles, worum es beim Sternenpark geht“, stellt sie einige Stunden früher beim Gespräch in ihrem Fuldaer Büro klar. Dass die Rhön sich mit diesem Prädikat der International Dark Sky Association schmücken kann, verlangt vor allem, in dem Biosphärenreservat der Lichtverschmutzung entgegenzutreten. Aber angefangen hat tatsächlich alles damit, dass eine leidenschaftliche junge Hobby-Astronomin vor fast zehn Jahren begann, Sternenspaziergänge anzubieten.

„Ich hab’ schon als Kind im Garten Sterne gezählt“, erzählt Sabine Frank. Irgendwann wusste sie so viel über Astronomie, dass die Idee entstand, ihr Wissen bei nächtlichen Wanderungen weiterzugeben. „Als ich das zum ersten Mal einer Kommune vorgeschlagen habe, haben die mich davongejagt“, sagt sie und lacht. Alle möglichen Bedenken hatte es gegeben. Bei einer zweiten Kommune aber – in Hofbieber –, konnte Frank überzeugen. „Gleich beim ersten Mal kamen 50 Leute“, erinnert sie sich, „wir hatten einen tollen Sternenhimmel, allen hat es gefallen.“ Von da an waren die Wanderungen etabliert.

„Schaut, Vega, Saturn, Jupiter“, ruft die Sternenparkführerin, und zeigt, dass der Mond, so groß er auch aussieht, immer hinter eine Kichererbse passt. Ein rot blinkendes Windrad macht Jupiter Konkurrenz. Aus dem Tal blenden immer wieder grelle Autoscheinwerfer. „Wenn wir weniger Licht anhätten, bräuchten wir auch weniger Windkraftanlagen“, kommentiert Frank.

Nächte immer heller

Ihr umfangreiches Wissen zu vermitteln, reichte ihr irgendwann nicht mehr. „Ich bin Naturschützerin und wusste um die Folgen der Lichtverschmutzung“, sagt sie. Und durch die Nachtführungen habe sie bemerkt, dass die Nächte immer heller werden. „Als ein Getränkehändler in Fulda eine neue Nachtbeleuchtung installiert hatte, war mein ganzer Südosthimmel weg!“

Zu diesem Zeitpunkt – Frank studierte Sozial- und Kulturwissenschaften in Fulda – las sie von einem Sternenpark in Schottland. „Das passt doch perfekt zum Biosphärenreservat“, habe sie gedacht. Und mit einer Gruppe anderer Studenten daraufhin die Frage untersucht, welche Rolle der Schutz des nächtlichen Lebensraums im Biosphärenreservat Rhön spielt. Das Ergebnis: „Die Nacht fehlte völlig; das Wort kam nur in Übernachtung vor“, sagt sie trocken.

Dabei sei es gravierend, was die künstliche Helligkeit anrichtet. „Die Naturschutzbemühungen der vergangenen 30 Jahre haben nur die Hälfte der Geschichte erzählt – die Tagesgeschichte“, stellt sie nachdrücklich fest. Künstliches Licht beeinträchtigt den Lebensraum der Tiere, und zwar nicht nur der nachtaktiven. Singvögel können zwischen Tag und Nacht nicht mehr unterscheiden, Zugvögel werden von Flugrouten abgelenkt, Fledermäuse aus ihren Habitaten vertrieben. „Aber auch die menschliche Gesundheit leidet“, betont Frank. Der Tag-Nacht-Rhythmus sei der „grundlegendste Rhythmus des Lebens“.

Die Dunkelheit nimmt zu in den Wiesen hinter Hofbieber. Immer mehr Sterne kommen heraus und die Wanderer lernen, wie es sich mit Hilfe des Polarsterns navigieren lässt. In einem kleinen Teich spiegelt sich der schimmernde Nachthimmel. Sabine Frank zeigt mit dem Laserpointer die Sternbilder Große und Kleine Bärin. Und erzählt einen griechischen Mythos über ihre Erschaffung durch Zeus.

Mit ihrer Studentengruppe entwickelte sie seinerzeit Ziele und Aufgaben für einen Sternenpark im Biosphärenreservat. Das Ergebnis schickte Frank an die Verwaltung. Eine Reaktion kam nicht. „Aber ich bin hartnäckig“, sagt die 45-Jährige energisch, „wenn ich mich in etwas verbissen habe, lasse ich nicht mehr los.“ Und schließlich konnte sie vor fünf Jahren Akteuren des hessischen Teils des Biosphärenreservats ihre Ideen vorstellen. „Von Lichtverschmutzung hatten die noch nie etwas gehört.“ Doch sie überzeugte: „Man ließ mich machen.“ Und Sabine Frank machte.

Grad der Lichtverschmutzung gemessen

Was dann folgte, kann man nur glauben, wenn man Frank erlebt: Die engagierte Frau sprüht nur so vor Energie, ihre Augen leuchten, wenn sie übersprudelnd über ihr Projekt spricht. Um das Prädikat Sternenpark zu erlangen, muss eine Region ausreichend natürliche, das heißt: nicht zu helle, Nachtlandschaften vorweisen können. Also zog Frank durch die Rhön und maß den Grad der Lichtverschmutzung. Dann erarbeitete sie mit Unterstützung eines Wissenschaftlers Beleuchtungsrichtlinien. Diesen zu folgen, mussten 80 Prozent (nach Fläche und Einwohnerzahl) der Kommunen im Reservat zustimmen, um den Bedingungen der Dark Sky Association zu genügen.

Also tingelte Frank durch die Städte und Gemeinden der drei Biosphärenreservat-Länder und stellte die Richtlinien vor. Zudem sprach sie mit den Energieversorgern der Region, um sie für das Projekt zu gewinnen. Diese Mammutaufgabe erledigte sie zunächst ehrenamtlich, dann bewilligte ihr der Landkreis Fulda acht Wochenstunden.

Nebenbei hatte Frank sich ein Unterstützernetzwerk aufgebaut, weiterhin Sternenwanderungen angeboten und sich immer mehr Fachwissen angeeignet. Im August 2014 war es dann so weit: Die Rhön wurde offizieller Sternenpark. Die Arbeit hörte damit nicht auf: Sabine Frank berät heute Kommunen, kümmert sich um die Projektevaluation und kämpft für umweltfreundliche Beleuchtung. „Mein Interesse ist eigentlich die Kosmologie, aber heute bin ich Lampenexpertin“, sagt sie und berichtet, wie sie bei Lampenherstellern für Leuchtmittel mit niedriger Lichtintensität wirbt. Seit etwa einem Jahr steht ihr ein Verein zur Seite, und mittlerweile gibt es auch andere Sternenparkführer. Seit Mai dieses Jahres hat Sabine Frank eine Vollzeitstelle. Dass sie für ihr Projekt, das eine Herzensangelegenheit ist, auch diesen Rahmen sprengt, verwundert nicht.

„Haltet alle mal eine Hand gegen den Himmel“, fordert Frank die Gruppe auf. „Hinter eurer Handfläche verbergen sich eine halbe Milliarde Galaxien.“ Im Herbst, sagt sie, könne man in der Rhön die Andromeda-Galaxie sehen. Eine Sternschnuppe fällt. Was sich Sabine Frank wohl wünscht? Was immer es ist, mit der Liebe zur Nacht hat es bestimmt zu tun.

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