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Rathaus ist eine Dauerbaustelle

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Spuren der Wasserschäden an den Decken.
Spuren der Wasserschäden an den Decken. priedemuth © Priedemuth

Rundgang offenbart großen Sanierungsstau

Oberursel - Die Farbe blättert, der Putz bröckelt. Ganz oben am Aufzugsschacht auf dem Dach ist sogar die rostige, stählerne Armierung im Beton sichtbar. Im tristen Januarwetter wirkt der graubraune Bau noch trister. Das 1973 gebaute Oberurseler Rathaus hat seine besten Jahre hinter sich. Längst hinter sich. Auf den ersten Blick, beim Eintritt ins Foyer ist eigentlich alles in Ordnung, wenn auch nicht mehr so ganz zeitgemäß.

Es ist der zweite Blick, der den großen Sanierungsstau sichtbar werden lässt. „Aufzug außer Betrieb“ verkündet ein Schild. Beispiel Besprechungsraum in Erdgeschoss: Weil die Fenster beim Öffnen herauszukrachen drohen, sind die Fenstergriffe aus Sicherheitsgründen entfernt worden, erst recht in den oberen Stockwerken. „Wir parken schon keine Dienstfahrzeuge mehr unter den Fenstern“, erklärt Bürgermeisterin Antje Runge. Durch die nicht zu öffnenden Fenster kann nicht gelüftet werden. Im vergangenen Hitzesommer waren die Temperaturen besonders in den nach Süden gelegenen Büros auf 35, 40 Grad gestiegen. „Wir haben die Arbeitszeiten erweitert, damit die Menschen am früheren Morgen beginnen können, Wasserspender aufgestellt“, zählt die Chefin auf. Weil sich in jedem Raum wenigstens ein Fenster öffnen lassen soll, gehen die Improvisationen sogar so weit, dass mit großem Aufwand „Fenster ins Fenster“ eingebaut werden. Der Blick an manche Decken verrät diverse Wasserschäden: Flecken, fehlende Deckenplatten, es bröselt in allen Ecken. 50 Jahre alte Wasserleitungen werden halt irgendwann undicht. Es hat sogar schon bei Stadtverordnetenversammlungen derart in den Großen Sitzungssaal geregnet, dass Eimer verteilt werden mussten. Die porösen Dichtungen der Deckenlichter halten bei Temperaturschwankungen nicht mehr. Auf allen sechs Rathausgeschossen wird geflickt, ausgebessert, repariert, immer und immer wieder.

Toiletten und Kantine mit Charme der 1970er-Jahre

Die Toiletten versprühen den Charme der 1970er-Jahre. Keine Einhandmischhebel an den Waschbecken, Bohrlöcher in den Wänden, wo offenbar mal irgend was hing. Natürlich funktioniert alles und ist sauber. „Aber in einem Restaurant würden Sie doch sagen: Oioioi“, sagt Stadtkämmerer Jens Uhlig auf dem Herrenklo vor den Urinalen mit den Rostspuren. Als Kassenwart muss er die Zukunft des Rathauses von Amts wegen im Blick haben.

Die Kantine wirkt wie aus längst vergangenen Zeiten, und lädt nicht wirklich zum Verweilen ein. Wenig Licht von draußen. Wie zum Beweis der ganzen Misere trägt Bürgermeisterin Antje Runge einen Eimer mit Putz- und Mörtelbrocken herbei. „Gesammelt in einer Woche. Alles außen von meinem Büro abgefallen“, berichtet sie. „Es geht hier ja auch um Arbeitssicherheit und Gesundheit.“ Alles ist ein einziges Improvisieren. Dass die Fassade marode ist, habe sich auch nicht vermeiden lassen, wenn man frühzeitig investiert hätte, erklärt Petra Holzwarth, in der Verwaltung für Immobilienmanagement zuständig. Regelmäßig werde die Gebäudesubstanz innen wie außen inspiziert, ob irgendwo Gefahr im Verzug ist. Wenn Sanierung, dann die totale Kernsanierung. „Das Gebäudegerippe ist ja noch in Ordnung. Laut Experten hält es noch mal solange“, sagt Uhlig. „Man hat in der damaligen Zeit für Perioden von etwa 50 Jahren gebaut“, stellt er fest. Und wenn kernsaniert wird, muss die komplette Verwaltung vorübergehend in einem anderen Gebäude untergebracht werden. Und das kostet auch wieder. „Wir müssen aber funktionieren. Wir sind unseren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber in der Pflicht, müssen für sie da sein“, erklärt die Rathauschefin, die selbst schon in einem der beiden Aufzüge mitsamt einer Mitarbeiterin und einer Bürgerin im Rollstuhl steckengeblieben ist. Als vor Monaten beide Aufzüge, Baujahr 1976, ausgefallen waren, sind Abteilungen mit Publikumsverkehr provisorisch umgezogen, damit sie für die Bürger überhaupt erreichbar blieben. Jetzt werden Elektrik und Motoren der Anlagen ausgetauscht, erklärt Petra Holzwarth. Immerhin. Der Rest bleibt, weil es ohnehin keine Ersatzteile mehr gibt.

Seit Jahren hadert die Politik: Sanierung oder Neubau? Erste Vorstöße, dass etwas passieren muss, habe es bereits vor 18 Jahren gegeben, erinnert Petra Holzwarth. Nach Uhligs Berechnungen würde eine Sanierung 30 Millionen, ein Neubau 39 Millionen Euro kosten. „Und da haben wir fünf Prozent Baukostensteigerung schon einkalkuliert. Ob das alles passt, ist Glücksache.“ Alles ist offen. Die Auffassungen in der Stadtpolitik gehen auseinander, selbst innerhalb der Fraktionen. Neubau? Kernsanierung? Einen Investor mit dem Neubau beauftragen und ihn dann von ihm mieten? Bestandsgebäude andernorts mieten? „Wir sind in Gesprächen“, sagt Uhlig. Er hofft auf eine Entscheidung im ersten Halbjahr.

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