Immer den Bienen auf der Spur

Gudrun und Nikolaus Koeniger haben ihr Leben in einen Roman gepackt
Oberursel - Eifrig krabbeln die Bienen auf der Wabe umher, die Nikolaus Koeniger gerade aus dem Bienenhaus im Garten geholt hat. Zur Sicherheit hat er zuvor im Smoker einen Eierkarton mit Apfeltrester entzündet. Der Rauch hilft dabei, die Bienen ruhig zu halten. Vorsichtig, mit Daumen und Zeigefinger, nimmt seine Frau eine Biene herunter. „Das ist ein Drohn, der kann nicht stechen“, sagt Gudrun Koeniger und hält das Insekt vor die Kamera. Ihr Mann erklärt, woran sie die männliche Biene erkannt hat: „Drohnen sind etwas größer als Arbeiterinnen.“
Fast ihr ganzes Leben lang haben die beiden promovierten Biologen den fleißigen Honigsammlerinnen gewidmet. Unter anderem war der heute 82 Jahre alte Nikolaus Koeniger Leiter des Oberurseler Bieneninstituts. Auch seine Frau, die kürzlich 80 Jahre alt geworden ist, hat dort geforscht. Doch das Wissenschaftler-Ehepaar hat nicht nur Fachliteratur veröffentlicht. Jetzt legen die beiden einen autobiografischen Roman vor. „Die Bienenforscher“, so der Titel.
Die Geschichte beginnt damit, dass sich die Erstsemester-Studenten Alfred und Ida - so heißen die Hauptpersonen des Romans - im Jahr 1962 im Zoologischen Institut der Freiburger Universität treffen und gemeinsam einen Fisch, genauer gesagt ein Flussneunauge, präparieren müssen.
Liebe auf den ersten Blick ist es bei den jungen Leuten nicht. Sie liefern sich Wortgefechte, und Alfred fragt sich, ob sich „diese selbstbewusste, streitlustige Studentin“ für ihn interessiere. Weiter heißt es: „Bisher hat Alfred solche zickigen, anspruchsvollen Brünetten eher gemieden.“ Der Text ist unterhaltsam geschrieben, und die Autoren lassen die Leser an ihrem Studentenleben teilhaben, wozu auch die regelmäßigen Besuche in der „Wolfshöhle“ gehören. Das ist ein Lokal in der Nähe des Freiburger Münsters, in dem es guten Rotwein vom Kaiserstuhl gibt. Der Leser erlebt mit, wie die Protagonisten später, der Bienenforschung wegen, nach Frankfurt ziehen und am Bieneninstitut in Oberursel arbeiten. Ihr Fortbewegungsmittel ist ein Motorroller, ein Heinkel Tourist. Auf der Deckblatt-Zeichnung sieht man das Paar auf dem Roller gemeinsam über Bienenwaben brausen. Um ein Stipendium für eine Forschungsreise nach Israel zu erhalten, heiraten sie. Später bekommen sie zwei Kinder. Weitere Forschungsreisen folgen, immer den Bienen auf der Spur.
Unter Spionageverdacht
Sogar unter Spionageverdacht gerät das Paar. Köstlich die Beschreibung der sonnenbebrillten Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), die im Bieneninstitut auftauchen, weil sie glauben, Alfred und ein Kommilitone verwendeten einen geheimen Code. Dabei stellt sich heraus, dass die Biologen nur deswegen per Walkie-Talkie kommunizieren, weil sie einen Versuch mit farbig nummerierten Honigbienen machen. Sie wollen herausfinden, welche Biene wie schnell an einem Schälchen mit parfümiertem Zuckerwasser eintrifft, dessen Standort ihr eine andere Biene zuvor per Tanz beschrieben hat: „Rot-43 tanzt. Richtung korrekt. Camp King. Weiß-13 folgt.“
Insgesamt drei Jahre haben Gudrun und Nikolaus Koeniger an ihrem Roman geschrieben. „Wenn man sich über frühere Erlebnisse unterhält, dann kommen immer mehr Erinnerungen zurück“, sagt die Autorin. Besonders wichtig sei ihr das Kapitel über die Reise nach Israel im Jahr 1966, bei der Ida und Alfred mit dem Holocaust konfrontiert werden. In Deutschland habe man damals über dieses dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte kaum gesprochen.
Was sie ebenfalls bewegt: „Ich hatte als junge Frau gedacht, dass ich glücklich und zufrieden Kinder großziehe und Musik höre. Dass mir das nicht genug ist, hatte ich nicht erwartet.“ Ihr Gatte unterdessen erzählt: „Damals wollten viele Männer einfach viel Geld verdienen, um schöne Sachen für ihre Frauen kaufen zu können. Und die meisten Frauen wollten ein bequemes Leben als Hausfrau führen. Für mich war das ein Alptraum.“ Es sei ein Glück für ihn gewesen, „dass ich eine Partnerin hatte, die sich für Wissenschaft, Zoologie und Bienen interessierte“. Dass sie nur in einer kleinen Mansarde wohnen konnten, habe sie nicht gestört. Im Epilog zu dem gemeinsamen Roman lässt Nikolaus Koeniger sein „Alter Ego“ Alfred daher schließlich sagen: „Der Tag, an dem wir uns zufällig im Praktikum getroffen haben, war der wichtigste Tag in meinem Leben.“
„Die Bienenforscher“ von Gudrun und Nikolaus Koeniger hat 680 Seiten und ist bei der Self-Publishing-Plattform „tredition“ erschienen. 27,99 Euro, ISBN 978-3-347-80573-6 (Hardcover)