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Immer noch von Nazi-Zeit bewegt

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Sozialdemokrat Thomas erinnert sich in Video an dunkle Jahre der Geschichte

Friedrichsdorf - Bei Arthur Thomas dürften dieses Jahr noch mehr als sonst Erinnerungen hochkommen. Vor allem zwei Daten spielen eine zentrale Rolle: Das eine ist der 30. Januar 1933, das andere der 23. März 1933.

Schicksalhaft beide, weil sie den Weg in Diktatur, Zweiten Krieg und Völkermord ebneten. Das eine Datum steht für die Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler durch Reichspräsident Paul von Hindenburg.

Das andere für die endgültig Machtergreifung der Nationalsozialisten durch das Ermächtigungsgesetz, mit dem die Demokratie in Deutschland abgeschafft wurde.

Als Hitler Reichskanzler wurde, hat der damalige Köpperner Postbote ein Telefongespräch von Nazis mitgehört und die Nachricht dann im Dorf verbreitet, erinnert sich Arthur Thomas, Jahrgang 1926. Sieben Jahre alt war er.

Seine Familie bekam hautnah zu spüren, wes Geistes Kind die neuen Machthaber waren. Sein Vater Heinrich, ein alter Sozialdemokrat, hängte einmal die alte Drei-Pfeil-Fahne der SPD raus. „Nazis kamen und sagten ,Heinrich bring die Fahne rinn‘“, erzählt Thomas mit hessischem Zungenschlag. „Der Vater sagte, ,die Fahne bleibt‘. Am Montag danach haben sie ihn abgeholt nach Frankfurt zur Gestapo.“ Vierzehn Tage lang sei er ausgequetscht worden, danach fortan still gewesen.

Geschehnisse, die sich in das Gedächtnis von Arthur Thomas eingebrannt haben. Zeitzeugen nennt man Menschen wie ihn. Philipp Schnorbus und Renate Löber haben den Genossen interviewt und das Gespräch per Video festgehalten. Ein weiter Bogen wurde im Film gespannt: Von den Kindheits- und Jugenderinnerungen über seine Zeit als Soldat bis in die Nachkriegszeit. Wer sich die 38-minütige Aufzeichnung anschaut, bekommt einen persönlichen Eindruck davon, welche Auswirkungen das Unrechtsregime auf das Leben der Menschen in der Region hatte. Nur ein paar Beispiele aus dem Video und einem weiteren Gespräch mit Arthur Thomas. Etwa zum Vater Heinrich, von Beruf Ledermacher, auf Hessisch „Portefeller“ genannt.

Auch Arthur Thomas bekam die Repressalien zu spüren. Dass er mit viel Druck und Drohungen in die NS-Jugendorganisation gezwungen wurde, ohne jemals etwas unterschrieben zu haben, war wohl noch das Geringste.

Eine andere Auswirkung war, dass ihm nach seiner Lehre als Maschinenschlosser bei der PIV in Bad Homburg berufliches Vorankommen verwehrt wurde.

Im Krieg selbst hatte er Glück im Unglück. Nach drei Monaten Arbeitsdienst kam er im Januar 1944 nach Holland. „Zum Mörder ausgebildet“, sagt er heute dazu. Dann kam die Invasion, er wurde nach Frankreich gebracht, überstand sie aber in den Vogesen.

Schließlich ging es über Belgien zurück nach Holland, wo er in englische Gefangenschaft geriet. Nach mehreren Gefangenenlagern sollte er mit anderen Kameraden nach Bad Kreuznach gebracht werden.

Vor Marburg sprang er mit 20, 30 anderen Gefangenen vom Zug ab und landete schließlich in Frankfurt. Von dort aus lief er zu Fuß zurück nach Köppern. Man schrieb Oktober 1945. Im Dorf selbst, wo die NSDAP zuvor sehr aktiv war, sei es mäuschenstill gewesen. Niemand wollte Nazi gewesen sein, sagt Arthur Thomas’ Frau Gerda.

Die heute 92-Jährige dürfte einen großen Anteil daran gehabt haben, dass Thomas die Kriegserlebnisse bald hinter sich ließ. Im Jahr 1951 heiratete das Paar, bekam später zwei Kinder. Thomas etablierte sich wieder, als Schlosser, arbeitete bei verschiedenen Firmen, war auch mehrere Jahre selbstständig, bevor er Fahrer bei Milupa wurde und dort in Rente ging.

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