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Bunte Hunde fahren zur See

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Von: Fabian Böker

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Die Devotionalien zeugen von der Geschichte, Theo Hermann steht für den Neuanfang.
Die Devotionalien zeugen von der Geschichte, Theo Hermann steht für den Neuanfang. © Michael Schick

Obwohl Bad Homburg knapp 460 Kilometer vom nächsten Seehafen entfernt liegt, hat die Stadt ihre eigene Marinekameradschaft. „Graf Spee“ hebt sich von anderen Vereinigungen ab: Die Kameradschaft ist jung, unpolitisch und doch traditionell.

Alte, sehr alte Männer in ebenso alten Uniformen, die biertrinkend über alte, vermeintlich bessere Zeiten sinnieren und – sofern es der genaue Tagesordnungsplan vorsieht – ab und zu ein Shanty anstimmen. So dürfte weitläufig die Vorstellung sein, wenn es um Marinekameradschaften geht. In Bad Homburg ist das anders. Das Durchschnittsalter bei der Kameradschaft „Graf Spee“ ist niedriger als anderswo, Lobpreisungen militärischer Leistungen sucht man vergebens.

Eine Marinekameradschaft in Bad Homburg? Immerhin sind es knapp 460 Kilometer bis zum nächsten Seehafen, dem in Rotterdam. Theo Hermann kennt die fragenden Blicke, aber auch die passende Antwort: „Ein Seemann steckt in jedem von uns.“ Bei ihm und etwa 30 Freunden ging die Liebe zur Seefahrt etwas weiter. Sie teilten schon länger die Leidenschaft für das Maritime, und hörten irgendwann von der Existenz einer Marinekameradschaft in Bad Homburg. Doch auch ihr Bild dieser Vereinigungen war nicht gerade positiv. „Aber wir wollten uns selbst überzeugen“, sagt Hermann, wenn er an das Jahr 2005 denkt.

Damals nahmen er und seine Freunde sich also ein Herz, „marschierten in die Kneipe rein“ – und blickten in genau die Altherrenrunde, die sie erwartet hatten. Doch anstatt wieder zu gehen, blieben sie. Nur kurze Zeit später fand sich ein Teil des Freundeskreises im Vorstand der Marinekameradschaft wieder, und „wir haben den Scherbenhaufen gepäppelt“, so Hermann.

Jüngstes Mitglied ist 20 Jahre alt

Der Bad Homburger Ableger der deutschlandweit mehr als 400 Vereine setzte sich neue Vorgaben. Unpolitisch und undogmatisch sollte es fortan im Vereinsheim „Haus Pamir“ am Hessenring zugehen, das Image des Altherrenclubs abgelegt werden. Aus den damals noch weniger als 30 Mitgliedern wurden bis heute 106, davon sind etwa ein Drittel Frauen. Das jüngste Mitglied ist gerade einmal 20 Jahre alt.

„Wir wollen den Brückenschlag zwischen Tradition und Zeitgeist schaffen“, nennt Theo Hermann ein Ziel der Kameradschaft. Diese Bezeichnung der Gruppe gefällt ihm selbst nicht, „aber sie gehört nun einmal dazu.“ Genauso wie Bilder von Schiffen mit Hakenkreuzen. „Die sind Teil der Geschichte der Marine, das wollen wir nicht verschweigen“, erklärt Hermann den sehr schmalen Grat, den der Verein damit zweifelsohne beschreitet. An die Öffentlichkeit wollen die Hobby-Seeleute nicht ständig gehen. Das Vereinsleben beschränkt sich meist auf die donnerstägliche Runde im Vereinsheim, ein paar Konzerte dort und einen großen Segeltörn auf Nord- oder Ostsee. 2014 geht es von Göteborg nach Kiel.

OB als Gast zuerst im Anzug, dann leger

Kontakt zu anderen Kameradschaften gibt es, und die Bad Homburger haben sich schon einen gewissen Ruf als „Bunte Hunde“ erarbeitet. „Wir laufen da immer in bunt auf, während der Rest traditionell in blau gekleidet ist“, sagt Theo Hermann. „Ach, ihr seid die aus Bad Homburg“ sei ein oft gehörter Ausruf. Viele der anderen Kameradschaften bewunderten den Weg der „Graf Spee“-Vereinigung, doch den Mut zur Verjüngung brächten letztlich nur wenige auf, meint Hermann.

Etwas mehr Mut hätte auch Oberbürgermeister Michael Korwisi gebraucht, als er zum Antrittsbesuch ins Haus Pamir kam. „Plötzlich stand der hier im Anzug. Da haben wir ihn gleich wieder rausgeschmissen“, erinnert sich Hermann. Doch eine Woche später kam der OB wieder, diesmal leger gekleidet. Und er war einer der Ältesten in der Runde.

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