Balkone an Neubau gesperrt
In Oberursel lösen sich Betonteile am Vonovia-Mietshaus. Die Beschwerden über Mängel häufen sich.
Für die 32 Jahre alte Mieterin war das Schreiben der Vonovia, das am 28. Oktober an der Hauseingangstür des Neubaus in der Oberurseler Freiherr-vom-Stein-Straße hing, in den sie sechs Wochen zuvor gezogen war, ein Schock: Ab sofort sei allen Mietern der neuen Häuser das Betreten ihrer Balkone und Terrassen untersagt. Es gelte, „Materialmängel auszuschließen“, am nächsten Tag kämen ein Prüfstatiker und ein Gutachter.
„Eine Frau hat ein Stück Balkon abbekommen“, berichtet die Bankerin, deren Name der Redaktion bekannt ist. „Bei dem Termin wurden dann die Ecken abgeschlagen.“ Jetzt, bald drei Wochen später, seien die Balkone und Terrassen immer noch gesperrt. „Und es gab keinerlei Information, was nun los ist“, ärgert sich die Mieterin. Nur ein zweites Schreiben an der Tür: Ein weiterer Gutachterbesuch sei notwendig.
Laut der Mieterin ist das Balkonproblem der negative Höhepunkt einer Reihe von Mängeln: „Der Waschmaschinenanschluss war abgesägt und mit Silikon wieder drangeklebt worden. Acht Wochen konnte ich nicht waschen. Jetzt war der Handwerker da, nachdem ich beim Mieterschutzbund war und eine Mietminderung angekündigt hatte“, erzählt die 32-Jährige und zeigt Fotos.
Auch seien ein Stromkreislauf und Sicherungen falsch angeschlossen worden, die Wohnungstür schließe nicht richtig, die Steckdosenblenden an der Küchenzeile lösten sich. Hinzu kämen Schönheitsfehler wie schlecht verputzte Wände, Rostflecken, ein beschädigter Bodenbelag und ein schiefes Balkongeländer. Auch ihr Kleinwagen blieb nicht verschont: Bei Arbeiten auf dem Hofparkplatz seien Steinchen aufgewirbelt worden. „Ein Mercedesfahrer hat dann die Polizei und einen Gutachter gerufen. Die ganze Reihe Autos wurde beschädigt.“
Mit einem Neubau gebe es keine Probleme, dachte sich die Frau, als sie in die 64 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung zog, für die sie rund 1000 Euro warm bezahlt. „Aber gut, es kann immer etwas sein. Es geht darum, wie dann mit einem umgegangen wird – keiner fühlt sich verantwortlich“, klagt sie.
Die 32-Jährige ist kein Einzelfall: Ihre Nachbarn im Sieben-Parteien-Haus, das zur 2019 begonnenen Nachverdichtung des Immobilienkonzerns gehört, haben Ähnliches erlebt. „Ich rufe schon gar nicht mehr beim Kundenservice an. Die sagen einem: ,Verklagen Sie uns doch‘“, berichtet der 24-Jährige, der im Erdgeschoss wohnt, frustriert. „Irgendwann hat man keine Kraft mehr.“ Vor 14 Monaten sind er und seine Freundin eingezogen. „Erst hatten wir ständig kein warmes Wasser. Der Rollladen war kaputt, die Dusche undicht, und die Internetleitung wurde einfach vergessen. Und immer mussten wir hinterherlaufen.“ Die Handwerker seien freundlich, genau wie der Objektbetreuer. „Das Problem ist die Vonovia. Das wurde hier billigst hochgekloppt, aber das interessiert die nicht, weil sie wissen, dass sie die Wohnungen losbekommen.“ Trotz Dauerbaustelle vor der Tür.
Das Pärchen gegenüber verzeichnet schon einen Wasserschaden: Der ging vom Flur aus, wo wohl ein Rohr vergessen worden sei. „Dazu der andauernde Heizungsausfall. Die Klospülung ging nicht, und die Steckdosen in der Küche waren nicht verkabelt“, zählt die 23-jährige Altenpflegerin auf. „Dann haben sie uns bei den Arbeiten draußen das Fenster zerschossen. Von den Ratten und dem Waschbär an den Mülltonnen ganz zu schweigen.“ Sie hat sich nach einer neuen Bleibe umgeschaut – „aber find hier mal was“.
Bedauerlicherweise habe sich eine Ecke von einem Balkon gelöst und eine Mieterin an der Schulter verletzt, räumt Vonovia-Sprecherin Bettina Benner ein. Danach seien die Balkone umgehend untersucht worden. „An einigen Stellen mussten vorsorglich Eckteile abgeschlagen werden, weil die Gefahr bestand, dass sie sich ebenfalls lösen könnten.“ Die jüngsten Folgeuntersuchungen habe ein externer Sachverständiger vorgenommen, um „ein absolut unabhängiges Gutachten“ zu erstellen. Die Balkone habe der mittlerweile insolvente Generalunternehmer gebaut. Die Leistungen seien abgenommen und die Fertigbauteile unter „eigentlich optimalen Bedingungen“ hergestellt worden.
„Der Sachverständige prüft nun, ob es ein Fehlverhalten beteiligter Unternehmen gab.“ Aktuell gehe man davon aus, dass sich ein Abriss vermeiden lässt und eine Betonsanierung sowie eine andere Montageart der Geländer ausreichten. Benner: „Eine Häufung weiterer Mängel ist uns nicht bekannt.“