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Hilfe gegen religiösen Extremismus

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Von: Agnes Schönberger

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Helfen weiter:Thomas Mücke, Hakan Çelik, Cuma Ülger.
Helfen weiter:Thomas Mücke, Hakan Çelik, Cuma Ülger. © A.Schönberger

Eine Beratungsstelle wirbt in Offenbach mit dem Slogan "Religiöse Toleranz statt Extremismus" für ihr Angebot.

Einladend wirkt der Eingang der Anfang Januar eröffneten „Beratungsstelle gegen religiös motivierten Extremismus“ an der Schloßstraße nicht. Das Büro liegt im Dunkeln unterhalb eines Treppenaufgangs zur B-Ebene in der Offenbacher Innenstadt. Es sei zwar relativ unscheinbar, aber eine wichtige Einrichtung im Rahmen der städtischen Präventionsarbeit, sagte Ordnungsdezernent Peter Freier (CDU) gestern bei einem Pressetermin vor Ort, zu dem auch Innenminister Peter Beuth erwartet worden war. Doch der CDU-Politiker war wegen der Koalitionsgespräche in Berlin offensichtlich unabkömmlich.

Freier erinnerte daran, dass in Offenbach Menschen aus 167 Nationen lebten, viele stammten aus muslimischen Ländern. „Da gibt es das eine oder andere Problem.“ Allerdings betonte er auch, dass es in der Stadt schon seit 15 Jahren ein Präventionsnetzwerk gibt. Die Beratungsstelle ergänze dieses Angebot. Darüber sei er „glücklich“.

Mit der Beratungsstelle in Offenbach bietet der Verein „Violence Prevention Network“ (VPN) islamistisch radikalisierten Jugendlichen und ihrem sozialen Umfeld einen dritten Anlaufpunkt in Hessen, der ihnen einen Ausstieg aus der Szene und einen Ausweg aus extremistischen Ideologien ermöglichen soll. Man biete als „Antwort auf die allgemeine Hilflosigkeit im Umgang mit religiös begründetem Extremismus Maßnahmen der Prävention, Intervention und Deradikalisierung an“, heißt es im VPN-Faltblatt.

Nach Angaben von VPN-Geschäftsführer Thomas Mücke sind die Beratungszahlen seit Eröffnung der ersten Anlaufstelle in Frankfurt im Sommer 2014 innerhalb kürzester Zeit „in die Höhe geschnellt“. Das habe damit zu tun, dass sich die Zahl der Personen, die der salafistischen Szene zugerechnet werden, in den vergangenen sechs Jahren auf 1650 mehr als verdoppelt habe. Mücke, der nach eigenen Angaben seit 28 Jahren mit gefährdeten Jugendlichen arbeitet, forderte eine „Verstetigung der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit“.

Um erfolgreich zu sein, brauche man einen langen Atem. Die Mitarbeiter begleiteten gefährdete Personen häufig über zwei Jahre oder länger, um ihr Vertrauen zu gewinnen, aber auch um die „Ideologie aus den Köpfen“ zu bekommen. 

Mücke machte deutlich, dass die Beratungsstellen auf Hinweise von Eltern, Schulen und Institutionen angewiesen sind. „Denn der radikale Salafist klopft nicht an unsere Tür.“ Nach seinen Worten werden die VPN-Beschäftigten ein Jahr lang zusätzlich für ihre Aufgabe geschult. Wichtigste Qualifikation der Deradikalisierer sei ihre Haltung. Sie müssten Verständnis für die Lebenswelten von Jugendlichen haben und es aushalten, dass radikale Muslime bei der Kontaktaufnahme zunächst wenig begeistert auf das Angebot reagierten. 

Mücke nannte die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden sehr wichtig. Es gebe klare Absprachen, in welcher Situation die Behörden informiert würden. „Da ist schon einiges verhindert worden.“ Bisher, so betonte er, habe es unter den Jugendlichen, die von ihnen begleitet würden, noch keinen einzigen Rückfall gegeben. 

Landespolizeivizepräsident Wilfried Schmäing sprach „von gut angelegtem Geld“. Mit dem Verein VPN habe das Land jemanden gefunden, der über jahrelange Erfahrung in diesem Bereich verfüge. Nach seinen Worten erreichen VPN monatlich 20 bis 25 Anfragen von häufig völlig verzweifelten Müttern und Vätern, deren Kinder „abgedriftet“ seien. „Auch den Eltern wird hier geholfen“, sagte er. Nach Angaben des stellvertretenden Ordnungsamtsleiters Frank Weber hat die Stadt 60 000 Flyer gedruckt und an Schulen, Kitas und Moscheevereine sowie an 48 000 Haushalte verteilt, um das Angebot bekannt zu machen.

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