Hilfe für Lkw-Fahrer verlangt

Der Streik in Gräfenhausen hat eine Diskussion über bessere Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Truckern ausgelöst. Der Vorschlag einer „Sozialmaut“ soll geprüft werden.
Einen Cent pro Kilometer – so viel Geld könnten Speditionsunternehmen in einen Fonds zahlen, um die Arbeitsbedingungen ihrer Fahrer und Fahrerinnen zu verbessern. Das ist einer der Vorschläge, über die angesichts des bundesweit beachteten Streiks der georgischen und usbekischen Lkw-Fahrer auf der südhessischen Autobahnraststätte Gräfenhausen-West diskutiert wird.
Viele Politikerinnen und Politiker sind aufgeschreckt durch den Streik. Sie denken verstärkt darüber nach, was gegen die schlechte Bezahlung und die miesen Arbeitsbedingungen der Männer und Frauen am Steuer zu tun ist, die häufig aus Osteuropa stammen. Der hessische Grünen-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn sagte der Frankfurter Rundschau, die ausbleibende Bezahlung der Streikenden und das Vorgehen des Unternehmers seien nur „die Spitze des Eisbergs“.
Abordnung aus Georgien
Die rund 60 Streikenden beklagen, ihnen werde seit Wochen von ihrem polnischen Auftraggeber Lukasz Mazur der Lohn vorenthalten. Dieser bestreitet das. Zu einer Streikversammlung in Gräfenhausen kam am Mittwoch neben Gewerkschafter:innen aus Deutschland und den Niederlanden auch eine Gewerkschaftsabordnung aus Georgien. Der Fall hatte auch deswegen Aufsehen erregt, weil Mazur am Karfreitag mit einem paramilitärischen Aufgebot versucht hatte, den Streikenden die Lastwagen abzunehmen. Die Polizei schritt ein, es gab 19 Festnahmen.
Der Grünen-Sozialpolitiker Strengmann-Kuhn sagte, er nehme die Idee einer „Sozialmaut“ mit nach Berlin, um darüber zu diskutieren, ob sie zu einer Lösung beitragen könne. Das Konzept wird von Alexander Kirchner forciert, dem früheren Vorsitzenden der Eisenbahnergewerkschaft EVG.
Forderung: Kostenlos duschen
Eingesetzt werden soll der Zuschlag von einem Cent pro Kilometer auf die Lkw-Maut im Sinne der Fahrer:innen: etwa für die kostenlose Nutzung von Toiletten und Duschen, für Hilfe bei Bedrohung oder Überfällen, Unterstützung bei Krankheit oder sozialen Notlagen, für Rechtsschutz in dringenden Fällen sowie für Pausenräume, um die Ruhezeiten nicht ausschließlich im Lkw verbringen zu müssen. So ist es auf der Homepage des Vereins Sozialmaut zu lesen, dessen Ansatz die Grünen prüfen wollen.
Strengmann-Kuhn betonte, notwendig seien europäische Regelungen. Derzeit befindet sich die Straßenverkehrsrichtlinie der Europäischen Union im Gesetzgebungsverfahren. Sie soll dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen der mobilen Arbeiter:innen auf der Straße zu verbessern.
SPD und Grüne fordern mehr Kontrollen
Der hessische SPD-Fraktionsvorsitzende Günter Rudolph forderte eine „konsequente Strafverfolgung“ gegen die Beteiligten am paramilitärischen Vorgehen auf der Raststätte. Daneben müsse besser kontrolliert werden, ob die Fahrerinnen und Fahrer eine vernünftige Entlohnung erhielten und ihre Ruhezeiten einhalten könnten. Martina Feldmayer, Landtagsabgeordnete der Grünen, argumentierte ähnlich. Sie verlangte, Unternehmer müssten „stärker kontrolliert werden, inwieweit sie gesetzlich vorgeschriebene Arbeitsbedingungen für Fahrer:innen einhalten“.
Das Sozialministerium von Kai Klose (Grüne) schickte auf FR-Anfrage eine allgemeine Antwort. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen angemessen entlohnt werden“, hieß es darin. Außerdem hätten sie Anspruch auf sozialverträgliche Arbeitsbedingungen. Dies beziehe sich auf alle Branchen.
Linke appelliert an Klose und Al-Wazir
Der Linken-Landtagsabgeordnete Axel Gerntke forderte Klose und seinen Parteifreund Tarek Al-Wazir zu Gesprächen mit Unternehmen auf, die Logistikaufträge vergeben. „Wenn der Wirtschafts- und der Arbeitsminister ihren Namen verdient haben, dann müssten sie mit diesen Unternehmen reden“, sagte Gerntke. Einzelne große Firmen hatten bereits erklärt, nicht mehr mit Mazur zusammenzuarbeiten.
Der Linken-Politiker Gerntke schlug außerdem eine Bund-Länder-Konferenz zu dem Thema vor, an der auch Betroffene und Gewerkschafter:innen beteiligt werden sollten. Außerdem müsse geklärt werden, an wen das Land Hessen seine Logistikaufträge vergebe. „Wir werden das nachfragen“, kündigte Gerntke an.