Hessen: Zu lange in der Erstaufnahme
Mitte März gab es 260 Geflüchtete, die mindestens sechs Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben mussten. Auch Kinder sind von der langen Verweildauer betroffen.
Sechs Geflüchtete haben Mitte März länger als eineinhalb Jahre in hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen verbracht. 57 Menschen haben zu dem Zeitpunkt bereits zwölf bis 18 Monate lang dort gelebt, 199 Schutzsuchende sechs bis elf Monate lang. Unter den letztgenannten waren 33 Kinder und Jugendliche, zwölf davon Babys und Kleinkinder im Alter bis fünf Jahre.
Das geht aus der Antwort des Sozialministeriums auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Saadet Sönmez (Linke) hervor.
Die Erstaufnahmestandorte, etwa in Büdingen, Darmstadt, Gießen, Friedberg und Kassel, dienen in der Regel als erste Unterkünfte, bevor Geflüchtete „dezentral“ in Kommunen untergebracht werden. Auch um eine Integration zu erleichtern, soll dies möglichst früh geschehen, wie zum Beispiel der Hessische Flüchtlingsrat fordert. Die Erstaufnahmeeinrichtungen liegen oft an den Rändern der Städte und Gemeinden, die Platzverhältnisse sind beengt und es gelten zusätzliche Einschränkungen, etwa im Hinblick auf Bewegungsfreiheit, Besuche, Sprachkurse, medizinische Versorgung.
Die Dauer der Wohnverpflichtung ist im Asylgesetz geregelt und wurde in den vergangenen Jahren mehrfach geändert. Statt einer Frist von höchstens drei Monaten sind mittlerweile bis zu 18 Monate möglich, mitunter noch mehr. Dies hängt auch mit dem Mangel an Unterkünften und bezahlbaren Wohnungen in den Städten und Gemeinden zusammen, vor allem im Rhein-Main-Gebiet. Hier müssen viele Geflüchtete seit ihrer Ankunft 2015 in Sammelunterkünften leben, weil sie auf dem Wohnungsmarkt trotz Arbeit fast keine Chance haben.
Familien mit minderjährigen Kindern dürfen eigentlich nicht länger als sechs Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. Zu den Gründen dafür, dass die Regelung in Hessen in jüngster Zeit in 33 Fällen nicht eingehalten wurde, schreibt das Ministerium lediglich allgemein, in Einzelfällen könne dies zum Beispiel aus medizinischen Gründen notwendig sein. Erwachsene könnten verpflichtet werden, länger als 18 Monate zu bleiben, wenn sie ihre sogenannten Mitwirkungspflichten im Asylverfahren verletzten.
Durch die Ankunft vieler Schutzsuchender aus der Ukraine und die Probleme der Kommunen, sie aufzunehmen, ist damit zu rechnen, dass sich die Aufenthaltsdauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen verlängern wird. Wegen des Ukrainekriegs hat das Land bereits im März zusätzliche Standorte aufgebaut, etwa in Friedberg und Fuldatal.
Sönmez gibt zu bedenken, dass sie ihre Anfrage vor dem Krieg gestellt habe, die vorgelegten Zahlen aber wohl schon davon beeinflusst seien. Unklar sei, wie viele lange in der Erstaufnahme lebende Menschen diese kurzfristig verlassen hätten, auch um Platz für Geflüchtete aus der Ukraine zu schaffen. Unabhängig davon sei die Verweildauer zu lang und die Zahl der davon Betroffenen hoch, so Sönmez.
Die Einrichtungen seien keine Orte, um dort länger als drei Monate zu leben, erst recht nicht für Kinder. Integration sei so nicht möglich. Je früher Asylsuchende in die Kommunen könnten, desto besser sei es für sie und für die Gesellschaft. Das Land müsse Städte und Gemeinden dabei unterstützen, kleine Wohneinheiten zu schaffen, in denen Geflüchtete unter anderem mehr Privatsphäre hätten.