Hessen: Mehr Verfahren gegen Jugendliche in Häusern des Jugendrechts
Die Häuser des Jugendrechts, in denen unter anderem Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendhilfe kooperieren, bearbeiteten 2022 mehr Fälle. Ein Grund ist eine neue Einrichtung in Frankfurt.
In den hessischen Häusern des Jugendrechts ist die Zahl der eingegangenen Verfahren 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent auf 11 821 gestiegen, die erledigten Fälle haben um 30 Prozent zugenommen. Bearbeitet wurden hauptsächlich Körperverletzungs-, Diebstahls- und Vermögensdelikte.
Das teilte das von Roman Poseck (CDU) geführte Justizministerium mit. Ein Grund für den Anstieg sei die Tatsache, dass das für Frankfurt-Mitte-Ost zuständige Haus Anfang 2022 seine Arbeit aufgenommen und 1674 von insgesamt 12 361 erledigten Fällen verzeichnet habe. Die meisten Verfahren im vergangenen Jahr gingen in Wiesbaden (2219) und Frankfurt-Nord (1823) ein, die wenigsten in Offenbach (1285) und Frankfurt-Süd (1458).
Eine weitere Ursache für die gestiegenen Zahlen dürfte darin bestehen, dass die Jugenddelinquenz in der Zeit weitreichender Corona-Maßnahmen etwas zurückgegangen war und danach wieder anstieg. Gleichzeitig gab es bei der Arbeit der Häuser des Jugendrechts pandemiebedingte Einschränkungen.
In Hessen gibt es sieben solcher Häuser, vier davon in Frankfurt und jeweils eines in Kassel, Offenbach und Wiesbaden. In den Einrichtungen arbeiten Staatsanwaltschaft, Polizei, Jugendgerichtshilfe, Jugendamt und andere Institutionen unter einem Dach zusammen.
Ziel sei es, schnell und nachhaltig auf Straftaten Jugendlicher zu reagieren, um erneute Straffälligkeit zu verhindern. Mit Hilfe der Häuser des Jugendrechts können nach Ansicht des Ministeriums Verfahren und Bestrafungen beschleunigt und die Prävention verbessert werden.
Laut einer Studie der Kriminologischen Zentralstelle des Bundes und der Länder begehen junge Leute, deren Fälle in einem solchen Haus behandelt werden, seltener erneut Straftaten. Kritiker:innen führen unter anderem an, die Häuser kosteten viel Geld und seien in erster Linie eine repressive, keine präventive Maßnahme. Wichtiger sei es, die Jugend- und Sozialarbeit in den Städten, die personell und finanziell schlecht ausgestattet sei, deutlich auszuweiten.
Nach Angaben des Justizministeriums vergehen in Häusern des Jugendrechts bis zu Anklagen zum Jugendrichter zwischen 0,85 und 2,92 Monaten, bis zu Anklagen zum Jugendschöffengericht zwischen 2,23 Monaten und 5,59 Monaten. „Gerade im sensiblen Bereich der Jugenddelinquenz bedarf es einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit und eines schnellen und konsequenten Eingreifens“, sagte Poseck. „Kriminelle Karrieren“ müssten im Interesse der jungen Straftäter:innen und der Sicherheit der Bevölkerung „so erfolgreich wie möglich abgebrochen werden“. Persönliche Kontakte und Besprechungen seien dabei besonders wichtig. Diese hätten 2022 wieder in Präsenz stattfinden und intensiviert werden können, nachdem die Kontaktbeschränkungen reduziert worden seien.
Der Minister sagte, er strebe an, weitere Jugendhäuser zu schaffen, um in Hessen ein flächendeckendes Angebot zu erreichen. Das bereits geplante Haus in Hanau – es sollte 2019 eröffnen, doch in Zusammenhang mit Umbaumaßnahmen kam es zu massiven Verzögerungen – solle in diesem Sommer beginnen und einen Schwerpunkt auf Rechtsextremismusprävention legen.