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Hessen: Jedes vierte Kind ist armutsgefährdet

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Von: Gregor Haschnik

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Hessen hat laut einer Bertelsmann-Studie bundesweit die vierthöchste Armutsquote bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren.

In Hessen ist fast jedes vierte Kind von Armut bedroht. Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung waren im Jahr 2021 rund 261 000Hess:innen unter 18 Jahren davon betroffen. Im bundesweiten Vergleich hat Hessen (24,4 Prozent) die vierthöchste Quote, lediglich in Bremen (41,1), Sachsen-Anhalt (25,2) und Nordrhein-Westfalen (24,6) liegt sie höher. Das geringste Armutsrisiko für Kinder besteht in Bayern (13,4 Prozent), Brandenburg (17,2), Baden-Württemberg (17,6) und Schleswig-Holstein (18,7).

Einem besonders hohen Risiko für Armut waren hierzulande demnach Kinder von Alleinerziehenden (45,4 Prozent) und Familien mit drei oder mehr Kindern (36 Prozent) ausgesetzt.

Aus neueren Statistiken der Bundesagentur für Arbeit geht darüber hinaus hervor, dass Mitte vorigen Jahres 14,2 Prozent der hessischen Kinder mit Grundsicherung lebten, was etwas über dem bundesweiten Durchschnittswert von 13,9 Prozent lag. 2014 waren es 14,1 Prozent, fünf Jahre später 13,6 Prozent.

Bei den jungen Erwachsenen von 18 bis 25 Jahren in Hessen hat die Untersuchung für 2021 eine Armutsquote von 27,9 Prozent ermittelt. Der Bundesschnitt beträgt 25,5 Prozent, am häufigsten betroffen sind junge Leute in Bremen (44,5 Prozent), am seltensten in Bayern (18,1 Prozent). In allen Ländern hat diese Altersgruppe das höchste Armutsrisiko. Insgesamt waren 2021 in Deutschland 2,88 Millionen Kinder und junge Erwachsene von Armut bedroht.

Die Stiftung warnt davor, dass Faktoren wie die aktuellen Preissteigerungen die Situation der Betroffenen, die etwa auf Erwerbslosigkeit oder Niedriglöhne zurückzuführen ist, weiter verschärfen.

Als gravierende Folgen von Armut nennt sie beispielsweise, dass die Betroffenen zu Hause seltener einen ruhigen Ort zum Lernen haben, bei Ausbildung, digitaler Teilhabe und Hobbys stark eingeschränkt sind. Auch sind sie weniger mobil und bei der Gesundheitsvorsorge benachteiligt. Sie könnten seltener etwas mit Freund:innen unternehmen, an Klassenfahrten teilnehmen – und würden häufig ausgegrenzt.

Die Studie

Die Ergebnisse der Bertelsmann-Stiftung basieren auf der Armutsdefinition, nach der Familien als arm gelten, wenn sie weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens zur Verfügung haben.

Zudem hat die Stiftung die SGB-II-Hilfequote einbezogen, die Rückschlüsse auf das Armutsrisiko nach Wohnort oder Familienform zulässt. Hierbei muss aber berücksichtigt werden, dass nicht alle bedürftigen Familien SGB-II-Leistungen beantragen, zum Beispiel aus Scham. gha

Die Bundesregierung plant, eine Kindergrundsicherung einzuführen, die ab 2025 greifen und aus einem „Garantiebeitrag“ sowie einem nach Alter gestaffelten Zusatzbeitrag bestehen soll. Die Autorinnen der Studie fordern, existenzsichernde Leistungen für Kinder und Jugendliche von Grund auf neu zu bestimmen und spürbar auszuweiten, wobei die Betroffenen an der Debatte beteiligt werden sollten. Sie seien Expert:innen ihrer eigenen Lebenswelt und müssten selbst Anspruchsberechtigte sein. Die Stiftung verweist auf das Konzept des „Teilhabegeldes“, das Fachleute in ihrem Auftrag erarbeitet haben. Ziel müsse sein, „allen Kindern und Jugendlichen gute Chancen mit Blick auf das Aufwachsen, Bildung und Teilhabe“ sowie Spielräume zu eröffnen. Wichtig sei auch eine einfache und digitale Beantragung sowie Beratung.

Die derzeitige Bestimmung der sogenannten Regelbedarfe bemängeln die Wissenschaftler:innen als „ungenügend“.

Die Linke im hessischen Landtag kritisiert, dass so viele Kinder und Jugendliche „im reichen Hessen“ in Armut lebten. Die schwarz-grüne Koalition müsse mehr tun als „vage Worthülsen im Landessozialbericht aufzuschreiben und die Schuld auf den Bund zu schieben“. Armutsbekämpfung müsse endlich ein Schwerpunkt der Landesregierung werden, fordert Petra Heimer, die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion.

Bei der Vorstellung des Sozialberichts im Dezember, in dem Armut ein wichtiger Aspekt ist, sagte Minister Kai Klose (Grüne), das Land investiere bereits viel in Hilfen, wolle diese aber weiter ausbauen. Als Beispiele nannte er unter anderem ein Programm zur Gesundheitsförderung von Kindern, Unterstützung der Kommunen bei der Erweiterung von Betreuungsplätzen und die Familienzentren, die als Anlauf- und Beratungsstellen dienen.

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