„Hassverbrechen in ihrer reinsten Form“

Anklage plädiert im Terrorprozess gegen Marvin E. auf eine Jugendstrafe von fünf Jahren
Im Prozess gegen Marvin E. hat die Anklage am Montag auf eine Jugendstráfe von fünf Jahren plädiert. Der 21-Jährige aus dem nordhessischen Spangenberg muss sich wegen der versuchten Gründung einer terroristischen Vereinigung und Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts verantworten. Er hatte versucht, in Hessen einen Landesverein der US-Terrortruppe „Atomwaffen Division“ zu gründen - und Bomben gebaut, die laut Ermittlern eine verheerende Wirkung entfaltet hätten.
Die Vertreter des Generalbundeanwalts fanden in ihrem Plädoyer harte Worte für den Angeklagten, die aber durch den Prozessverlauf durchaus bestätigt wurden. Marvin E. sei „wutgeladen und konfliktscheu“, ein „gefühlskalter, gekränkter Einzelgänger“ und „prototypischer Amokläufer“. Er sei überzeugt von der „Überlegenheit“ einer „arischen weißen Rasse“. Die Ankläger sind sich sicher, dass E. Terroranschläge begangen hätte, auch wenn diese noch nicht im Detail geplant gewesen seien. Seine Ziele: „Juden, Muslime und Repräsentanten des demokratischen Systems“. Unerwähnt blieben die von E. im Prozess selbst benannten „Menschen aus dem linken Spektrum“. Die Anklage spricht von „Hassverbrechen in ihrer reinsten Form.“
Berücksichtigt wurden aber auch die prekären Verhältnisse, aus denen E. kommt - „Die Bezeichnung ,Familie‘ mutet hier unpassend an.“ Marvin E., sein Zwillingsbruder und die beiden älteren Schwestern hätten unter der Tyrannei der herrschsüchtigen Mutter gelitten - was bei den Kindern aber nicht zur Solidarisierung, sondern zur Entfremdung geführt habe. Zudem habe sich der an einer Lese- und Rechtschreibschwäche leidende junge Mann als „der dumme Hauptschüler“ von seiner Umwelt gemobbt gefühlt. Echte Freunde fand er nicht, die Anklage attestiert ihm „soziale Isolation“ und „emotionale Verwahrlosung“. Marvin E. habe sich am Computer in virtuelle Welten geflüchtet und „vor dem Bildschirm radikalisiert“. Dort habe E. zumindest Cyber-Respekt erfahren - nicht zuletzt auch wegen seiner per Videos präsentierten Bomben. In Pyrotechnik ist Marvin E. ein Talent. Überhaupt ist er technisch begabt. Und er mag Hauptschüler gewesen sein, aber dumm ist er nicht.
Bei allem Verständnis für die Leiden des jungen E. stellen die Ankäger aber klar, dass man trotz diesen kein Faschist werden müsse - „das hat er sich selbst ausgesucht“. Immerhin versuche er derzeit, mit Hilfe eines staatlichen Aussteigerprogramms an seiner menschenfeindlichen Gesinnung zu arbeiten.
Die Verteidiger Marvin E.s sollen am Freitag plädieren.