Hanau-Ausschuss: Kritik an Umgang mit Fehlern

Der Untersuchungsausschuss zum Hanau-Anschlag hat in seiner vergangenen Sitzung auch die Rolle der Polizei beleuchtet.
Im Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Hanau hat Tobias Singelnstein, Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Goethe-Universität, eine bessere Fehlerkultur bei der Polizei angemahnt. Das von ihm erstellte Gutachten, das er dem Ausschuss am Freitagabend vorstellte, führte darüber hinaus unter anderem „Polizeiarbeit in einer postmigrantischen Gesellschaft“ und „Umgang mit den Opfern in der Tatnacht und danach“ als relevante Punkte auf.
Dass es nach der Tat nur christliche und keine muslimische Seelsorge gegeben habe, dass Überlebende nach ihrem Ausweis gefragt worden seien und weitere Beispiele zeigten, wie unvorbereitet die Polizei auf einen solchen Fall gewesen sei. Die Betroffenen hätten sich wie Opfer zweiter Klasse und wie potenzielle Täter gefühlt. „Die Polizei tut sich schwer damit, Fehler zuzugeben und sie aufzuarbeiten“, sagte Singelnstein und nannte in diesem Zusammenhang auch das Thema Notruf. „Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler, aber es gibt Wege, mit diesen Fehlern umzugehen.“
Der Hanauer Notruf war aufgrund technischer und personeller Mängel kaum erreichbar, auch für den später erschossenen Vili-Viorel Paun, der zu den neun Opfern des rassistischen Anschlags am 19. Februar 2020 zählt.
Bei der Polizei gebe es wenig Raum, um Fehler aufzuarbeiten und zu beheben. Singelnstein empfahl, Möglichkeiten für „Whistleblower“ zu schaffen, um Missstände anonym zu melden, und die Polizei „extern“ zu kontrollieren. Der Kriminologe sagte, man müsse sich fragen, ob die Polizei zuerst nach dem Ausweis gefragt hätte, wenn der Anschlag in einer „bürgerlichen Ecke“ und nicht in einem Migrantenviertel geschehen wäre.
Dies sorgte für Kritik im Ausschuss. Jörg-Uwe Hahn (FDP) und Jörg Michael Müller (CDU) bemängelten an Singelnsteins Gutachten, man solle Polizeiarbeit nicht nur kritisch sehen, sondern auch loben. Die Polizei habe an dem Abend Menschen gerettet.
Ex-Präsident sieht Mängel
Die öffentliche Sitzung wurde am späten Abend während der Aussage des früheren Präsidenten des Präsidiums Südosthessen, Heinrich Bernhardt, unterbrochen. Es hieß, Angaben von ihm zum Anschlagsabend und an ihn gerichtete Fragen seien nicht von der Aussagegenehmigung gedeckt gewesen. Zuvor hatte der 78-Jährige den Polizeieinsatz kritisiert. Er habe über Monate mehrere Quellen, zu denen er Zugang gehabt habe, ausgewertet und eine Analyse des Einsatzes erarbeitet. „Wenn man sieht, was in Hanau abgelaufen ist, sind da mehrere Fehler passiert“, so Bernhardt. Erstens habe es keine zentrale, funktionierende Einsatzführungsstelle gegeben. Zweitens habe eine ganze Menge an Kräften gefehlt, die unter anderem für eine Absperrung hätten sorgen müssen. Der Ausschussvorsitzende Marius Weiß (SPD) kündigte an, das vom Ex-Polizeichef ausgearbeitete, 14-seitige Papier werde dem Ausschuss zur Verfügung gestellt.
Vor Singelnstein und Bernhardt hatten eine Mitarbeiterin des Innenministeriums und die frühere LKA-Chefin Sabine Thurau ausgesagt. Ihre Aussagen stützten den Verdacht, dass es vonseiten des Landespolizeipräsidiums (LPP) den Versuch gegeben habe, mehr über die Ermittlungen zu den Notrufproblemen herauszufinden und diese womöglich zu beeinflussen. Die für das LPP tätige andere Zeugin wies den Vorwurf zurück.
Die Sachverständige Heike Kleffner, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, forderte in ihrem Gutachten beispielsweise klare Zuständigkeiten und eine bessere Kommunikation der Behörden mit Überlebenden und Hinterbliebenen.