Frisch aus dem Museum

Gastronomie verwendet Gemüse, Kräuter und Fleisch direkt aus dem Hessenpark
NEU-ANSPACH - Die Radieschen sind noch recht klein, aber leuchtend rot und vor allem knackig frisch. Küchenchef Raphael Reichardt und Peter Stürtz, Pächter der Hessenpark-Gastronomie, probieren und nicken anerkennend. Zwar haben die Radieschen nicht die Schärfe ihrer Freiland-Kollegen, weil sie im Gewächshaus des Freilichtmuseums gedeihen, aber sie haben eine tolle Süße. Und wenn sie noch ein wenig größer sind, dann landen sie im Hessenpark-Restaurant Marktplatz 11 auf dem Teller.
Genauso wie Kartoffeln, Kräuter, Salate, Spinat, Bohnen, Auberginen, Möhren, Schlottenzwiebeln, Spitzpaprika, Zucchini, Tomaten und essbare Blüten. Außerdem Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Renekloden und kleine Mengen Erdbeeren. Je nachdem eben, was Volker Weber, der Chef-Landwirt im Hessenpark, gerade so zur Verfügung stellen kann. Und alles in Bioland-Qualität.
Weber hat mit Reichardt, seit drei Jahren Küchenchef und verantwortlich für alle Restaurants im Museum inklusive Catering, Pflanzpläne erarbeitet. Damit kann dieser sehen, was wann in den drei Gärten der Häuser Heck, Eisemroth und Launsbach sowie auf dem Beet neben dem Gewächshaus zur Verfügung steht. Im Gewächshaus werden die Pflanzen vorgezogen, bevor sie dann nach draußen ins Freiland kommen.
Allerdings stellt Weber klar, dass es sich beim Hessenpark nicht um einen Gemüsebaubetrieb handelt. Das, was dort wächst, würde nie für die Gastronomie reichen, denn es ist schwer, mit den Produkten zu planen. „Heute habe ich fünf Salate, aber morgen nicht, weil die Schnecken alles weggefressen haben.“ Inzwischen aber ist es möglich, jedes Gericht im Restaurant Marktplatz 11 mit mindestens einer Zutat „aus der Nachbarschaft“ zu versehen. Eine Erweiterung, so Weber, ist leider nicht möglich. „Wir haben keine Flächen mehr.“ Reichardt sagt deshalb: „Was wir kriegen können, nehmen wir.“ Er erinnert sich, dass es im vergangenen Sommer besonders viel Basilikum gab. Daraus hatte er dann Pesto hergestellt und eine Kräuterschaum-Soße gekocht.
Vor allem aber Äpfel, aus denen Mus, Kompott oder Tartes werden, und Kartoffeln der Sorte Belinda gibt es reichlich. „Da können wir große Mengen liefern“, sagt Weber. Die festkochende Salatkartoffel mit einer feinen appetitlichen Struktur findet sich auf der Speisekarte häufig in gratinierter Form und mit Bergkäse überbacken, als Stampfkartoffel-Roulade und als Pommes. Die wiederum werden gerne zum Burger gegessen, und hier kommt das Fleisch auch aus dem Museum. Es stammt vom Roten Höhenvieh, einer alten robusten Hausrind-Rasse, die einst vom Aussterben bedroht war. Im Hessenpark, der alle Voraussetzungen der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen erfüllt und seit 2012 anerkannter Arche-Park ist, leben außerdem das Rhönschaf und das Coburger Fuchsschaf, die Thüringer Waldziege, das Sattelschwein, die Vorwerkhühner und die Altsteirer Hühner, die Leinegänse sowie die Meißner Widderkaninchen. Sie werden im Hessenpark zum Rassenerhalt gezüchtet und, wenn sie nicht weiter zur Zucht genutzt werden können, als Schlachttiere verwendet.
Zusammenarbeit mit Metzger
„Was die Lieferung von Fleisch angeht, sind wir deshalb deutlich leistungsfähiger“, sagt der Landwirt. „Das ist das Kerngeschäft unserer Kooperation.“ Und so wird im Marktplatz 11 inzwischen fast nur noch Fleisch aus dem Freilichtmuseum verwendet. Auch wenn das aufgrund der teuren Fütterung nicht billig ist, wie Weber zugibt. „Uns ist die gute Qualität wichtig“, meint Stürtz und erklärt, dass die höheren Kosten durch eine Mischkalkulation aufgefangen werden.
Das Restaurant bekommt die Tiere allerdings nicht fein portioniert, sondern im Ganzen. Reichardt arbeitet mit einem Metzger zusammen, der alles zerteilt, anschließend beispielsweise Steaks und Schnitzel anliefert und Schinken sowie Schinkenspeck herstellt. Aus dem, was die Küche nicht gebrauchen kann, wie zum Beispiel manche Innereien, werden Wurst und Presskopf hergestellt. Hier gilt das Prinzip „Nose to Tail“, was heißt, dass ein Tier restlos verwertet wird. Reichardt ist begeistert von den Produkten, und er findet es toll, dass seine Crew selbst die paar Meter zum Gewächshaus oder den Beeten laufen kann, um sich mit frischen Kräutern zu versorgen. Derzeit wächst vor allem der Schnittlauch reichlich. „Für die Gastronomie ist das ein Traum“, sagt Stürtz und probiert einen Halm.
Im Gewächshaus wird derzeit experimentiert. Auf der ersten Saatgut-Börse im Hessenpark haben sich Weber und seine Mitarbeiter mit Samen eingedeckt, und nach der Aussaat zeigen sich an einigen Stellen bereits die ersten grünen Spitzen. Bei den Okra-Schoten zum Beispiel. Der Landwirt hat sich mit verschiedenen Sorten Steckrüben „eingedeckt“, denn im normalen Handel gibt es nur die „Wilhelmsburger“, und von der ist er geschmacklich nicht so begeistert.
Auf den Speisekarten im Marktplatz-Restaurant ist übrigens genau vermerkt, welches Produkt aus dem Hessenpark stammt.