1. Startseite
  2. Rhein-Main

Frankfurt: Immer noch keine Anklage gegen korrupten Oberstaatsanwalt

Erstellt:

Von: Oliver Teutsch

Kommentare

Justitia-Statue in Frankfurt Gerechtigkeit Jura Sonne Himmel
Justitia-Statue in Frankfurt. © Arne Dedert/dpa

Die Ermittlungen gegen Oberstaatsanwalt Alexander B. aus Frankfurt und ein halbes Dutzend seiner Komplizen dauern an.

Frankfurt - Knapp ein Jahr nach der Festnahme eines korrupten Oberstaatsanwalts steht die Anklage gegen Alexander B. noch immer aus. Ein konkreter Termin dafür könne nicht genannt werden, teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt auf FR-Anfrage mit. Die Ermittlungen seien trotz der „überwiegend geständigen Einlassung der Hauptprotagonisten“ sehr umfangreich. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Anklageerhebung gegen B. und weitere Beschuldigte „spätestens im vierten Quartal 2021 aus“.

Die Festnahme von Alexander B. im Juli 2020 hatte die hessische Justiz erschüttert. Der 54-Jährige soll als Leiter der hessenweiten Zentralstelle gegen Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen seit 2005 Schmiergeld von Firmen erhalten haben, die er mit externen medizinischen Gutachten betraut hatte. Wegen der Schwere und des Umfangs der Vorwürfe hatte B. zwei Monate in Untersuchungshaft gesessen. Gegen den 54-Jährigen wird wegen gewerbsmäßiger Bestechlichkeit, Korruption, Untreue und Betrug ermittelt. Der Amtsträger soll die Korruption nicht nur selbst initiiert, sondern in hohem Maße Sachverständigenkosten produziert haben, um sich persönlich zu bereichern.

Frankfurt: 100 Verfahren eingestellt

Während die Ermittlungen gegen B. und etwa ein halbes Dutzend Komplizen noch laufen, versucht die neu geschaffene Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Fulda noch immer, die Scherben, die der 54-Jährige hinterlassen hat, zusammenzukehren. Die von B. geleitete Ermittlungseinheit in Frankfurt war aufgelöst und Anfang des Jahres durch die Zentrale Staatsanwaltschaft für Medizinwirtschaftsstrafrecht in Fulda ersetzt worden. Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann will die neue Ermittlungseinheit am Mittwoch besuchen. Die Nachfolgebehörde hatte aus Frankfurt 270 laufende Verfahren übernommen. Von diesen seien mittlerweile 100 eingestellt, teilte die Behörde auf FR-Anfrage mit. In 53 Fällen, weil eine Verjährung drohte, in den anderen Fällen wegen Geringfügigkeit.

Die FR hat Einblick in eines der eingestellten Verfahren erhalten, das die Tragweite der Verfehlungen B.s aufzeigt. In Ermittlungen gegen einen Kinderarzt aus Südhessen waren Gutachterkosten von weit mehr als 500 000 Euro entstanden, die nun nach der Einstellung die hessischen Steuerzahler:innen tragen müssen. Der zuvor entstandene angebliche Schaden war vergleichsweise gering.

Frankfurt: Verfahren nach einer anonymen Anzeige in Gang gekommen

Das Verfahren war nach einer anonymen Anzeige in Gang gekommen. Obwohl die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen die Generalstaatsanwaltschaft schon über den Umfang des Verfahrens informiert hatte, beauftragte B. die zwei Firmen seiner Kompagnons mit umfangreichen Ermittlungen. Geliefert wurden größtenteils nur umformatierte Daten der KV und allgemeine Textbausteine. Dafür wurden mehrere Hundert Stunden Gutachtertätigkeit abgerechnet. Der Medizinrechtler Alexander Dorn hatte den Kinderarzt vertreten und ist sich sicher: „Hier wurden über Jahre nur Ermittlungen aufgenommen, um Aufträge für Sachverständige zu erzeugen.“ Dorn kann nicht glauben, dass die Machenschaften B.s im Kollegenkreis unbemerkt geblieben sein sollen. Daher hat er Dienstaufsichtsbeschwerde gegen B.s ehemaligen Vorgesetzten und einen Staatsanwalt gestellt, der über mehr als drei Jahre die unlauteren Methoden des 54-Jährigen unterstützt hatte.

Die neue Stelle in Fulda gab an, künftig sei eine Beauftragung privater Firmen „nicht in nennenswertem Umfang beabsichtigt“. Ermittlung und Auswertung von sichergestellten Daten „sollen grundsätzlich durch die Polizei erfolgen“. (Oliver Teutsch)

Auch interessant

Kommentare