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Etat-Debatte im Wahlkampfmodus

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Von: Jürgen Wagner

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Die Redner der Opposition - hier der FW-Fraktionsvorsitzende Erich Spamer am Mikrofon - sparen während der Haushaltsdebatte nicht mit Kritik an der Politik der CDU/SPD-Koalition. Wagner © Jürgen Wagner

Wetterau - Im Herbst werden Landtag und Landrat gewählt, dies prägte die Haushaltsdebatte am Mittwochnachmittag im Wetterauer Kreistag. Die CDU/SPD-Koalition lobte sich für ihre Weitsicht, die Opposition schimpfte über fehlenden Gestaltungswillen und sieht die Koalition bereits am Ende. Die beschloss den Änderungsentwurf zum Etat 2023 mehrheitlich.

Gute Nachricht für die Städte und Gemeinden: Kreis- und Schulumlage werden nicht weiter erhöht. „Es bleibt bei der Anpassung um 0,6 Prozentpunkte für die Kreisumlage, die Schulumlage sinkt gegenüber dem Ursprungsentwurf sogar um ein knappes Prozent“, sagt Kreiskämmerer Matthias Walther (CDU). Das sind hessenweit die geringsten Belastungen. Und dies, obwohl der Haushalt 2023 des Wetteraukreises ein Defizit von 37,3 Millionen Euro aufweist. Dies sind laut Walther die Folgen des Ukrainekriegs, der Flüchtlings- und der Energiekrise.

Der Kreis hatte einen Doppelhaushalt 2022/23 aufgestellt, das Regierungspräsidium aber nur den ersten Teil genehmigt. Was die Opposition kritisierte. Dies setzte sich in der Kreistagsdebatte fort. Zunächst verteidigten Sebastian Wysocki (CDU) und Rouven Kötter (SPD) den Etatentwurf. Wysocki verwies auf „die hohen Investitionen in die Bildung“, die „niedrigsten Hebesätze in Hessen“, den Ausbau der Radwege. „Wir sind froh, dass der Wetteraukreis angesichts der Herausforderungen sicher durch Landrat Weckler geführt wird.“ Kötter betonte in Sachen Kreisumlage: „Wir drücken die Belastungen nicht nach unten durch.“ „Fassungslos“ habe ihn die Haltung der Grünen im Ausschuss gemacht, die darauf drangen, es müsse mehr in Sachen Schulbau geschehen. Kötter: „Obwohl die Mitarbeiter angesichts der Belastungen sagten: Unmöglich, es geht nicht.“ Ob mehr Mittel im Sozialbudget oder kostenloses Schülerticket: „Dieser Haushalt stellt in schwierigen Zeiten die richtigen Weichen“, sagte Kötter.

„Da muss mehr Tempo rein“, fasste Michael Rückl (Grüne) die Kritik seiner Partei am Haushalt zusammen. Nicht mehr, sondern weniger Investitionen im Schulbau seien getätigt worden, nur 55 Prozent der Mittel seien ausgegeben worden. Rückl sprach vom „klimapolitischen Blindflug“ der Koalition, vermisste Transparenz. Die SPD-Sozialdezernentin sei selbst in den eigenen Reihen umstritten, die Arbeit bleibe in Entwürfen stecken. Rückl: „Zu einer ehrgeizigeren Politik ist die Koalition nicht in der Lage.“

Als der RP den Etat 2023 zurückwies, war es die FDP, die dies vehement kritisierte. Schon bei der Beratung des Doppelhaushalts habe man darauf hingewiesen, dass die Folgen von Krieg, Corona, Inflation und Flüchtlingskrise nicht genügend berücksichtigt wurden, sagte FDP-Sprecher Jörg-Uwe Hahn. Das habe die Kreisspitze ignoriert. Es fehle der Koalition an „Empathie und Gestaltungswillen, eine traurige Geschichte“, sagte Hahn, der die Koalition am Ende sieht. Kötter zeige sich gegenüber Grünen und FDP kompromissfähig, der CDU-Redner erwähne die SPD nicht einmal.

HAUSHALT 2023

Der aktuelle Haushalt des Wetteraukreises weist aufgrund der Folgen des Ukrainekriegs und der Flüchtlingskrise bei einem Gesamtvolumen von knapp 590 Millionen Euro ein Defizit von 37,3 Millionen Euro aus. In den kommenden drei Jahren steigert der Wetteraukreis seine Investitionen in den Bereichen Schulbau, Gesundheitsvorsorge, Zivilschutz und Infrastruktur um 34,4 Millionen Euro.

3,35 Millionen Euro fließen in den Bau von Radwegen, weitere 5,2 Millionen Euro in den S6-Ausbau von Frankfurt über Bad Vilbel nach Friedberg. Der Haushalt umfasst zudem Investitionen in den flächendeckenden Ausbau des Glasfasernetzes ebenso wie für die Intensivierung der Klimaschutzmaßnahmen bei Sanierung und Neubau von Schulen und der Infrastruktur.

Hinzu kommen Gelder für Mobilitätsförderprogramme sowie den Erhalt wertvoller Naturräume im Kreisgebiet. Das Sozialbudget wird mit dem vorliegenden Haushalt innerhalb eines Jahres um 24 Prozent erhöht. Gleichzeitig wird der Stellenplan moderat angepasst, um die wachsenden Aufgaben weiterhin stemmen zu können. jw

„Der Haushalt 2023 ist handwerklich ein Desaster“, sagte Erich Spamer (FW) an die Adresse von Kämmerer Walther. Spamer zählte Fehler, Fehleinschätzungen, Versäumnisse auf, sagte eine „exorbitante“ Erhöhung der Kreisumlagen voraus - nach den Wahlen. Dann, so Spamer, sei auch die Koalition am Ende.

Michael Kuger (AfD) nahm sich wie alle Haushaltsredner die Freiheit, über dies und das zu reden, was im Falle der AfD heißt: Flüchtlinge, die Kosten, die sie verursachen, gescheiterte Abschiebungen, der Unterschied zwischen Rechtsextremismus und Rechtskonservatismus - bis ihn Kreistagsvorsitzender Armin Häuser zweimal ermahnen musste, bitte zur Sache zu reden. Was nicht so recht gelingen wollte. Gabi Faulhaber (Linke) geißelte das „Politikversagen“ der Koalition. Beim Wohnungsbau herrsche „geruhsame Beschaulichkeit“. Außerdem beklagte sie, Sozialleistungen würden zurückgehalten, um Geld zu sparen, etwa beim Wechsel vom Sozialamt zum Jobcenter. Daniel Lachmann (NPD) lehnte den Haushalt ab, da in diesem „zu viel Geld für Nichtdeutsche“ vorgesehen sei.

Es gab Änderungsanträge der Opposition, die meisten wurden abgelehnt. Beschlossen wurden Anträge der FDP zur Unterstützung des Notmüttertreffs und der Musikschulen. Der Haushalt wurde mit den Stimmen der CDU/SPD-Koalition beschlossen.

Am Ende überreichte Kreiskämmerer Matthias Walther Blumen an Inga Wagner, die als langjährige Leiterin der Kreiskämmerei ihren letzten Haushalt bearbeitete. Dafür gab es Applaus des ganzen Hauses.

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