Hessisches Ried: Hier wird wieder nach Erdöl gebohrt

Seit 2018 wird in Riedstadt-Goddelau (Kreis Groß-Gerau) nach Erdöl gebohrt – Jetzt soll die Förderung in Hessen ausgeweitet werden.
Riedstadt – Es klingt erstaunlich: Erdöl aus hessischem Boden. Noch erstaunlicher ist, dass es aus dem hessischen Ried stammt – also aus dem größten Grundwasserspeicher Hessens, der das Trinkwasser für zwei Millionen Menschen in der Rhein-Main-Region liefert. Doch das Ried ist eine alte Erdöldestination; von 1952 bis 1994 wurde der Rohstoff bereits rund um Riedstadt und Stockstadt gefördert. Die Öl-Förderung im Ried lebte zu Jahresbeginn 2018 neu auf, als das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt dem Unternehmen Rhein-Petroleum für 27 Jahre eine Fördergenehmigung in Riedstadt-Goddelau erteilte. Die Heidelberger Firma hat nun weitere Bohrungen ins Auge gefasst.
Rhein-Petroleum ist der kleinste von sechs Erdölproduzenten in Deutschland. Das Unternehmen hatte 2012 in Riedstadt eine „Seismik-Kampagne“ umgesetzt. Dabei wurden Schallwellen dort in den Untergrund gesandt, wo früher Erdöl gefördert wurde. Auf diese Weise entstand eine dreidimensionale Landkarte des Untergrunds, die Aufschluss darüber gab, welche Gesteinsschichten vorhanden sind.
Ölsuche in Riedstadt (Groß-Gerau): Firmal aus Hessen befördert „schwarzes Gold“
„Anzeichen für erdölführende Schichten waren da“, sagt Rhein-Petroleum-Geschäftsführer Carsten Reinhold. Sechswöchige Probebohrungen sorgten 2015 für Gewissheit. Es folgten Testförderungen, bis feststand, dass genug Erdöl im Ried da ist, um mehrere Jahre lang Förderanlagen zu betreiben.
Erdöl von Qualität
Das Rohöl aus Riedstadt ist von hervorragender Qualität. Es ist die Sorte Brent Light Sweet. Das heißt: Es ist schwefelarm, leicht und einfach in der Raffinerie zu verarbeiten. Es sei zu schade, um es zu verbrennen oder zu verheizen, so Carsten Reinhold, Geschäftsführer von Rhein Petroleum.
Das schwefelarme Erdöl erzielt auf dem Markt hohe Preise. Es wird hauptsächlich für die industrielle Weiterverarbeitung genutzt – etwa für Kosmetika oder für hochwertige erdölbasierte Kunststoffe. (ann)
Seit Jahresbeginn 2018 befördert Rhein-Petroleum nun in der Bohrung „Schwarzbach 1“ in Riedstadt-Goddelau dauerhaft 100.000 Liter Erdöl pro Woche aus der Tiefe. Wobei die Vorstellung von einer unterirdischen Erdölblase völlig falsch ist. Das „schwarze Gold“ steckt vielmehr in mikroskopisch kleinen Poren des Buntsandsteins, die auf 1500 bis 1700 Meter Tiefe mit einem Bohrstrang von fünf bis sechs Zentimetern Durchmesser „angezapft“ werden. Mit einer Elektropumpe wird das Öl nach oben befördert, salzhaltiges Untergrundwasser fließt in das poröse Gestein in den sogenannten Pechelbronner Schichten nach.
Hessen: Erdöl-Fördermenge in Riedstadt (Groß-Gerau) soll künftig dreimal höher sein
Das Öl wird zunächst in großen Tanks gesammelt, bevor es wöchentlich drei Tanklastwagen zur rund 100 Kilometer entfernten Raffinerie in Karlsruhe bringen. Künftig sollen es dreimal so viele sein. „Im Idealfall ein bis zwei Tankwagen pro Tag“, sagt Reinhold.
Sein Unternehmen hat nämlich im Frühjahr 2021 – also lange vor den explodierenden Rohstoffpreisen – Antragsunterlagen für weitere Probebohrungen südlich von Goddelau an der Schwarzenburger Straße beim RP Darmstadt eingereicht und die bergrechtliche Genehmigung erhalten.

Neue Probebohrungen in Hessen geplant: Im Ried (Groß-Gerau) wird wieder nach Erdöl gesucht
Voraussichtlich im Herbst werde die Bohranlage verfügbar sein, sagt Reinhold. In den kommenden Tagen wird der Platz eingerichtet: Der Mutterboden wird abgetragen und zur späteren Wiederverwendung am Rand abgelegt, die zentrale Fläche wird asphaltiert und wie bei einer Tankstelle komplett abgedichtet. Ein 40 Meter hoher Turm kündet dann einige Wochen lang von der Probebohrung. Zum Schutz des Grundwassers sei die Bohrung teleskopartig aufgebaut, sagt der Geschäftsführer. Das heißt: In das erste Stahlrohr wird ein zweites eingesetzt, der Hohlraum zwischen den Rohren mit Zement verfüllt. Genauso wird mit einem dritten Rohr verfahren.
Es gebe mehrere unterirdische Reservoirs, die Rhein-Petroleum in „Schwarzbach 2“ erbohren will. „Von zwei bis drei Metern bis zu 15 Metern Mächtigkeit.“ Die Erdölschichten liegen zwischen undurchlässigem Tonstein oder Mergelstein mehrfach übereinander – „wie bei einer Schwarzwälder Kirschtorte“, beschreibt Reinhold. An drei Stellen, die nur ein paar Meter auseinanderliegen, werde geteuft, also ein Bohrloch in die Tiefe hergestellt. Es werde nicht nur senkrecht, sondern auch im 45-Grad-Winkel schräg gebohrt; so könne man zum Beispiel Naturschutzgebiete umgehen. Die Erfolgsaussichten? „Im Schnitt“, sagt Reinhold, „wird man nur bei jeder dritten Bohrung fündig.“ (Annette Schlegl)